Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)
gestattete den Niederländern sogar, jegliche Nelkenbäume, die sie dort vorfanden, zu vernichten.
Ambon wurde zu jener Zeit ähnlich regiert wie große Teile Europas und Amerikas. Die Untertanen schuldeten ihrem Herrscher Tribut und mussten Zwangsarbeit leisten. Die Niederländer intensivierten dieses System, um den Inselbewohnern noch mehr Arbeit aufzuladen und ihnen noch mehr Gewürznelken abzupressen. Vor ihrer Ankunft hatten die Großfamilien den ambonesischen Machthabern Tribut in Form von Nelken entrichtet. Die neuen Herren verwehrten den Menschen nun jegliche Bewegungsfreiheit und verpflichteten jeden Haushalt, eine vorgeschriebene Zahl von Nelkenbäumen zu bewirtschaften. Zusätzlich mussten die Familien weitere Zwangsarbeiten für die Niederländer leisten.
Auch die Banda-Inseln brachten die Niederländer an sich, um den Handel mit Muskatnüssen und -blüten zu monopolisieren. Aber diese Inseln waren ganz anders organisiert als Ambon. Sie bestanden aus zahlreichen autonomen Stadtstaaten, und es gab keine hierarchische soziale oder politische Struktur. Die Kleinstaaten, in Wirklichkeit kaum mehr als Ortschaften, wurden von Dorfversammlungen verwaltet. Sie hatten keine Zentralregierung, welche die Niederländer zur Unterzeichnung eines Monopolvertrags zwingen konnten, und kein Tributsystem, über das sie die gesamte Muskatproduktion zu beschlagnahmen vermochten. Deshalb mussten sie zunächst mit Engländern, Portugiesen, Indern und Chinesen konkurrieren und auf die Gewürze verzichten, wenn sie keine hohen Preise zahlen wollten.
Nachdem der Plan, ein Muskatmonopol zu schaffen, gescheitert war, ließ sich der niederländische Gouverneur von Batavia, Jan Pieterszoon Coen, eine Alternative einfallen. Er machte Batavia auf der Insel Java 1618 zur neuen Hauptstadt der Niederländischen Ostindien-Kompanie. 1621 segelte er mit einer Flotte nach Banda und ließ fast die ganze Bevölkerung der Inseln, schätzungsweise rund 15000 Menschen, niedermetzeln. Sämtliche Anführer wurden mit den übrigen Einwohnern hingerichtet, und man ließ nur genug Personen am Leben, um die für die Muskatproduktion nötigen Kenntnisse zu erhalten. Im Anschluss an den Völkermord baute Coen die für seinen Plan erforderliche politische und wirtschaftliche Struktur auf: eine Plantagengesellschaft. Die Inseln wurden in achtundsechzig Parzellen unterteilt und achtundsechzig Niederländern, zumeist früheren und derzeitigen Angestellten der Kompanie, übergeben. Die neuen Plantagenbesitzer ließen sich von den wenigen überlebenden Bandanesen die Gewürzherstellung beibringen und erwarben von der Kompanie Sklaven, um die Inseln wiederzubevölkern und Gewürze zu produzieren, die dem Unternehmen dann zu Festpreisen überlassen werden mussten.
Die extraktiven Institutionen, welche die Niederländer auf den Gewürzinseln etablierten, erzielten den gewünschten Effekt. Der Preis auf Banda waren allerdings 15000 unschuldige Opfer und die Gründung einer Reihe wirtschaftlicher und politischer Institutionen, welche die Inseln zur Unterentwicklung verurteilten. Am Ende des 17. Jahrhunderts war es den Niederländern gelungen, den Weltnachschub an Muskat um etwa 60 Prozent zu verringern und den Preis zu verdoppeln.
Die Niederländer wandten die Strategie, die sie auf den Molukken perfektioniert hatten, überall in der Region an, was tiefgreifende Folgen für die wirtschaftlichen und politischen Institutionen im übrigen Südostasien hatte. Das lange Wirtschaftswachstum mehrerer dortiger Staaten, das im 14. Jahrhundert begonnen hatte, kehrte sich um. Die Staaten, die nicht direkt von der Ostindien-Kompanie kolonisiert und zermalmt wurden, kapselten sich ab und gaben den Handel auf. Die aufkeimenden wirtschaftlichen und politischen Veränderungen in Südostasien erstarrten.
Um der Bedrohung durch die Ostindien-Kompanie zu entkommen, stellten mehrere Staaten den Anbau von Gewürzen und den Export ein. Autarkie war sicherer als die Auseinandersetzung mit den Niederländern. Im Jahr 1620 holzte der Staat Banten auf der Insel Java seine Pfefferbäume in der Hoffnung ab, von der Kompanie in Frieden gelassen zu werden. Als ein niederländischer Kaufmann 1686 Maguindanao auf den südlichen Philippinen besuchte, teilte man ihm mit: »Muskat und Nelken können hier genau wie auf den Molukken angebaut werden. Aber es gibt sie nicht mehr, weil der alte Raja sie alle vor seinem Tod vernichten ließ. Er hatte Angst, dass die Niederländische Kompanie
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