Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)
Nahen Osten beschafft, die das Osmanische Reich überwachte. Dann suchten die Europäer eine Passage um Afrika herum oder über den Atlantik hinweg, um sich direkten Zugang zu den Gewürzinseln und dem Gewürzhandel zu verschaffen. Das Kap der Guten Hoffnung wurde 1488 von dem Portugiesen Bartolomeu Dias umrundet, und Vasco da Gama erreichte Indien 1498 über die gleiche Route. Zum ersten Mal konnten die Europäer nun einen freien Schiffsweg zu den Gewürzinseln benutzen.
Die Portugiesen machten sich sofort daran, die Kontrolle über den Gewürzhandel zu gewinnen. Im Jahr 1511 nahmen sie Melaka ein. Da es strategisch günstig an der Westseite der Malaiischen Halbinsel lag, kamen Händler aus ganz Südostasien hierher, um ihre Gewürze an Inder, Chinesen und Araber zu verkaufen. Die Letzteren belieferten dann den Westen. Wie der portugiesische Reisende Tomé Pires es 1515 ausdrückte: »Handel und Gewerbe aus den Nationen in einem Umkreis von tausend Meilen müssen nach Melaka kommen … Wer immer über Melaka gebietet, hat die Hände an der Kehle von Venedig.«
Nachdem sie Melaka eingenommen hatten, versuchten die Portugiesen systematisch, ein Monopol über den lukrativen Gewürzhandel zu erlangen. Vergeblich.
Ihre Gegner durften nicht unterschätzt werden. Zwischen dem 14. und dem 16. Jahrhundert war die auf dem Gewürzhandel basierende wirtschaftliche Entwicklung Südostasiens stark vorangeschritten. Stadtstaaten wie Aceh, Banten, Melaka, Makassar, Pegu und Brunei wuchsen rasch und exportierten nicht nur Gewürze, sondern auch andere Produkte, etwa Harthölzer. Sie hatten absolutistische Regierungen, die den europäischen der damaligen Zeit ähnelten. Die Entwicklung ihrer politischen Institutionen wurde durch vergleichbare Prozesse, beispielsweise durch technische Veränderungen in der Kriegführung und im internationalen Handel, vorangetrieben. Die staatlichen Institutionen zentralisierten sich zunehmend, und in ihrem Mittelpunkt stand ein König, der die absolute Macht für sich beanspruchte.
Karte 14: Südostasien: Die Gewürzinseln Ambon und Banda, 1600
Wie die absolutistischen Herrscher in Europa waren die südostasiatischen Könige auf Handelserträge angewiesen, weshalb sie in ihrem Namen Geschäfte betreiben ließen sowie einheimischen und ausländischen Eliten Monopole gewährten. Ebenfalls wie im absolutistischen Europa führte dies zu einem gewissen Wachstum, doch die Wirtschaftsinstitutionen waren keineswegs ideal für die Schaffung von Wohlstand geeignet, da die Mehrheit auf Eintrittsschranken stieß und ihr Eigentum nicht sicher war. Andererseits war die Kommerzialisierung bereits im Gange, als die Portugiesen um eine dominierende Position im Indischen Ozean kämpften.
Die Zahl der Europäer stieg, und nach der Ankunft der Niederländer übten sie einen noch größeren Einfluss aus. Diese begriffen rasch, dass es viel profitabler war, den Gewürznachschub aus den Molukken zu monopolisieren, als den Wettbewerb mit einheimischen oder anderen europäischen Händlern aufzunehmen. Im Jahr 1600 überredeten sie den Herrscher von Ambon, einen Exklusivvertrag mit ihnen zu unterzeichnen, durch den sie das dortige Monopol über den Gewürznelkenhandel erhielten. Mit der Gründung der Niederländischen Ostindien-Kompanie im Jahr 1602 verbesserten sich ihre Chancen, den Gewürzhandel an sich zu reißen und ihre Konkurrenten mit allen Mitteln auszuschalten, während sich die Lage für die südostasiatische Region verschlechterte.
Die Niederländische Ostindien-Kompanie war nach der English East India Company die zweite europäische Aktiengesellschaft. Beide – Meilensteine in der Entwicklung moderner Konzerne – sollten eine wichtige Rolle für das industrielle Wachstum Europas spielen. Außerdem war die Ostindien-Kompanie das zweite Unternehmen, das ein eigenes Heer besaß und die Macht hatte, fremde Länder zu kolonisieren. Die Niederländer nutzten die militärische Schlagkraft des Konzerns und schalteten alle potentiellen Rivalen aus, um ihren Vertrag mit dem Herrscher von Ambon durchzusetzen.
1605 eroberten sie eine von den Portugiesen gehaltene, strategisch entscheidende Festung und verdrängten sämtliche anderen Händler mit Waffengewalt. Dann widmeten sie sich den nördlichen Molukken und nötigten die Herrscher von Tidore, Ternate und Bacan zu der Zusicherung, auf ihren Territorien weder Gewürznelken anzubauen noch mit ihnen zu handeln. Der Vertrag, den sie Ternate aufzwangen,
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