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Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)

Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)

Titel: Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daron Acemoglu , James A. Robinson
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etliche Berichte von Reisenden und Kaufleuten aus jener Zeit lassen vermuten, dass in den Königreichen Ashanti und Dahomey sowie in den Yoruba-Stadtstaaten viel mehr als die Hälfte der Bevölkerung aus Sklaven bestand. Genauere Angaben liegen aus den Aufzeichnungen der frühen französischen Kolonialisten für den westlichen Sudan vor, also für einen großen Bereich Westafrikas, der sich vom Senegal über Mali und Burkina Faso nach Niger und dem Tschad erstreckte. Hier waren 30 Prozent der Bevölkerung im Jahr 1900 versklavt.
    Ebenso wenig wie der rechtmäßige Handel konnte die offizielle Kolonisierung nach dem Gerangel um Afrika die Sklaverei auf dem Kontinent auslöschen. Obwohl das europäische Vordringen damit gerechtfertigt wurde, dass die Sklaverei bekämpft und abgeschafft werden müsse, sah die Realität anders aus. In den meisten Teilen des kolonialen Afrika setzte sich die Sklaverei weit bis ins 20. Jahrhundert hinein fort. Beispielsweise wurde sie in Sierra Leone erst 1928 für immer abgeschafft. Dabei war die Hauptstadt Freetown im späten 18. Jahrhundert als Zuflucht für aus Amerika repatriierte Sklaven gegründet worden. Sie wurde zu einem wichtigen Stützpunkt für das britische Anti-Sklaverei-Geschwader und zur neuen Heimat für befreite Sklaven, welche die britische Navy von Handelsschiffen gerettet hatte. Trotzdem hielt sich die Sklaverei in Sierra Leone weitere 130 Jahre lang.
    Liberia, südlich von Sierra Leone, wurde ebenfalls in den 1840er Jahren für befreite amerikanische Sklaven gegründet. Doch auch hier dauerte die Sklaverei bis ins 20. Jahrhundert an. Noch in den 1960er Jahren wurde vermutet, dass ein Viertel der Beschäftigten zur Arbeit gezwungen werde und unter Bedingungen leben und arbeiten müsse, die denen der Sklaverei nahekämen. Wegen der extraktiven wirtschaftlichen und politischen Institutionen, die für den Sklavenhandel geschaffen worden waren, konnte die Industrialisierung im subsaharischen Afrika nicht Fuß fassen. Sie stagnierte oder machte sogar ökonomische Rückschritte, während man die Wirtschaft in anderen Teilen der Welt umgestaltete.

Die duale Wirtschaft
    Das Modell der »dualen Wirtschaft«, das Arthur Lewis 1955 vorlegte, bestimmt immer noch die Art und Weise, wie Sozialwissenschaftler die ökonomischen Probleme der weniger entwickelten Länder einschätzen. Laut Lewis haben viele weniger entwickelte oder unterentwickelte Ökonomien eine duale Struktur und bestehen aus einem modernen und einem traditionellen Sektor. Der moderne Sektor, also der höher entwickelte Teil der Wirtschaft, wird dem städtischen Leben, der heutigen Industrie und der Nutzung fortgeschrittener Technologien zugeordnet, der traditionelle Sektor hingegen dem ländlichen Leben, der Agrarwirtschaft sowie »rückständigen« Institutionen und Verfahren. Zu den rückständigen Agrarinstitutionen wird der Gemeinschaftsbesitz des Bodens, der private Grundeigentumsrechte ausschließt, gerechnet. Nach Lewis war die Arbeit im traditionellen Sektor so ineffizient organisiert, dass man daraus Arbeitskräfte für den modernen Sektor abziehen konnte, ohne Beeinträchtigungen der Produktivität im traditionellen Sektor feststellen zu müssen. Generationen von Ökonomen, die auf Lewis’ Erkenntnissen aufbauen, folgerten daraus, dass man Menschen und Ressourcen aus dem traditionellen Sektor, das heißt aus der Landwirtschaft und den Landgebieten, in den modernen Sektor, das heißt die Industrie und die Städte, verlagern müsse, um das Entwicklungsproblem zu lösen. 1979 erhielt Lewis den Nobelpreis für seine Arbeit auf dem Gebiet der ökonomischen Entwicklungstheorie.
    Lewis und seine Nachfolger hatten mit ihrer Feststellung des Vorhandenseins dualer Wirtschaften zweifellos recht. Südafrika – mit einem rückständigen und armen traditionellen und einem dynamischen und wohlhabenden modernen Sektor – lieferte eines der besten Beispiele. Noch heute ist die von Lewis beschriebene duale Wirtschaft überall in Afrika zu finden. Sie zeigt sich besonders deutlich, wenn man über die Grenze zwischen dem Staat KwaZulu-Natal, früher Natal, und dem Staat Transkei fährt. Die Grenze verläuft am Great Kei River. Im Osten des Flusses, an der Küste von Natal, liegen reiche Anwesen mit herrlichen breiten Sandstränden. Das Innere des Landes bedecken üppige grüne Zuckerrohrplantagen. Die Straßen sind makellos, und die ganze Gegend strahlt Wohlstand aus. Jenseits des Flusses dagegen scheint man sich

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