Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)
dauerte, bis diese Aktionen wirklich effektiv waren, und obwohl die Sklaverei selbst erst 1834 im Britischen Reich abgeschafft wurde, waren die Tage des atlantischen Sklavenhandels – des mit Abstand größten Handelssektors – gezählt.
Zwar verringerte sich die Auslandsnachfrage nach afrikanischen Sklaven nach 1807, doch das bedeutete nicht, dass die Auswirkungen der Sklaverei auf die afrikanischen Gesellschaften und Institutionen wie durch Zauberei verschwunden wären. Viele afrikanische Staaten waren auf die Sklavennahme angewiesen, und die Beendigung des Handels durch die Briten änderte nichts an dieser Realität. Außerdem hatte sich die innerafrikanische Sklaverei ausgebreitet. Diese Faktoren sollten den afrikanischen Entwicklungsweg letztlich nicht nur vor, sondern auch nach 1807 bestimmen.
An die Stelle der Sklaverei trat nun der »rechtmäßige Handel« – eine Formulierung, die für den Export von Gütern aus Afrika, die nichts mit dem Sklavenhandel zu tun hatten, geprägt wurde. Zu diesen Waren gehörten Palmöl und Palmkerne, Erdnüsse, Elfenbein, Gummi und Gummiarabikum. Als sich die europäischen und nordamerikanischen Einkommen im Zug der Industriellen Revolution erhöhten, stieg die Nachfrage nach etlichen tropischen Produkten steil an. Genau wie die afrikanischen Gesellschaften die wirtschaftlichen Möglichkeiten des Sklavenhandels aggressiv genutzt hatten, zogen sie nun aus dem rechtmäßigen Handel Vorteile. Dies geschah jedoch in einem seltsamen Kontext, in dem die Sklaverei ein Teil der Lebensweise war, obwohl die Nachfrage nach Sklaven plötzlich nicht mehr existierte. Was sollte man nun mit all den Sklaven anfangen, die nicht mehr an Europäer verkauft werden konnten? Die Antwort lag auf der Hand: Sie konnten in Afrika zu profitabler Zwangsarbeit eingesetzt werden und die neuen Güter für den rechtmäßigen Handel herstellen.
Eines der am besten dokumentierten Beispiele war Ashanti im heutigen Ghana. Vor 1807 hatte sich das Ashanti-Reich stark an der Gefangennahme und dem Export von Sklaven beteiligt, indem es die Opfer zur Küste hinunterbringen und in den großen Sklavenfestungen Cape Coast und Elmina verkaufen ließ. Nach 1807 musste die Elite von Ashanti die Wirtschaft umorganisieren. Damit war die Sklaverei jedoch noch nicht beendet. Vielmehr siedelte man die Sklaven auf riesigen Plantagen an, zunächst in der Umgebung der Hauptstadt Kumase, doch später überall im Reich (das den größten Teil des Binnenlands von Ghana ausmachte). Die Sklaven förderten Gold und kultivierten Kolanüsse für den Export, doch sie bauten auch große Mengen Nahrungsmittel an und wurden intensiv als Träger eingesetzt, da man keine Transportmittel mit Rädern benutzte. Weiter östlich kam es zu ähnlichen Anpassungen. Zum Beispiel betrieb der König von Dahomey unweit der Küstenhäfen Whydah und Porto Novo weitläufige, von Sklaven bewirtschaftete Palmölplantagen.
Die Abschaffung des Handels ließ die Sklaverei in Afrika also nicht verschwinden, sondern führte lediglich zur Neuverwendung der Sklaven, die nun innerhalb Afrikas statt in Amerika ausgebeutet wurden. Zudem blieben viele politische Institutionen, die in den vorherigen zwei Jahrhunderten für den Sklavenhandel geschaffen worden waren, völlig unverändert, und die Verhaltensmuster bestanden ebenfalls weiter.
Schließlich brach das einst große Oyo-Reich in den 1820er und 1830er Jahren in Nigeria zusammen. Es wurde durch Bürgerkriege und den Aufstieg der Yoruba-Stadtstaaten in seinem Süden geschwächt, etwa durch Illorin und Ibadan, die direkt in den Sklavenhandel verwickelt waren. In den 1830er Jahren fiel die Hauptstadt von Oyo Plünderungen zum Opfer, und danach wetteiferten die Yoruba-Städte mit Dahomey um die regionale Vormachtstellung. Sie führten in der ersten Jahrhunderthälfte eine fast ununterbrochene Serie von Kriegen, die einen beträchtlichen Nachschub an Sklaven ermöglichten. Hinzu kamen die üblichen Entführungen, die Verurteilungen durch Orakel und die Überfälle im kleineren Maßstab, die alle dazu beitrugen, dass sich die Zahl der Sklaven erhöhte. In manchen Teilen Nigerias waren Entführungen ein solches Problem, dass Eltern ihre Kinder nicht draußen spielen ließen, damit sie nicht geraubt und in die Sklaverei verkauft wurden.
Die Sklaverei scheint sich also während des 19. Jahrhunderts in Afrika nicht verringert, sondern eher noch ausgeweitet zu haben. Genaue Zahlen sind schwer zu erlangen, doch
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