Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)
besaß … [Ich kaufte] ein Ochsengespann mit Jochen, Gabeln, Pflug und dazu das übrige landwirtschaftliche Zubehör … Dann erwarb ich einen kleinen Hof … Ich kann meinen Mitbürgern den Ackerbau als Beruf nicht nachdrücklich genug empfehlen … Allerdings sollten sie moderne Methoden der Gewinnerzielung anwenden.
Ein erstaunliches Indiz für die Dynamik und den Wohlstand damaliger afrikanischer Bauern enthält der Brief eines Methodistenmissionars, W. J. Davis, von 1869. Er teilte seinem englischen Adressaten voller Genugtuung mit, dass er sechsundvierzig Pfund in bar »für den Baumwoll-Hilfsfonds von Lancashire« gesammelt habe. In jenen Jahren spendeten vermögende afrikanische Bauern Geld für die Unterstützung armer englischer Textilarbeiter!
Die neue Wirtschaftsdynamik gefiel den traditionellen Chiefs verständlicherweise nicht, denn sie sahen ihr Vermögen und ihre Macht dahinschwinden. 1879 erwähnte Matthew Blyth, der Oberrichter der Transkei, dass Widerspruch gegen die Vermessung des Landes, das in Privatgrundstücke unterteilt werden sollte, zu hören sei: »Einige der Chiefs … erhoben Einwände, doch die meisten Menschen waren zufrieden … Die Chiefs wissen, dass die Gewährung von individuellen Rechten ihren Einfluss unter den Führern beseitigen wird.«
Die Chiefs widersetzten sich auch sämtlichen Verbesserungen des Bodens, etwa der Aushebung von Bewässerungsgräben oder der Errichtung von Zäunen. Sie begriffen, dass sich dadurch nur Ansprüche auf individuelle Eigentumsrechte und damit das Ende ihrer Macht ankündigten. Europäische Beobachter beobachteten sogar, dass Chiefs und andere traditionelle Respektspersonen, etwa Medizinmänner, versuchten, alle »europäischen Sitten« zu untersagen, wozu auch neue Feldfrüchte, Pflüge und Handelsprodukte gehörten. Aber die Integration der Ciskei und der Transkei in den britischen Kolonialstaat hatte zur Folge, dass sich die Macht der traditionellen Chiefs und aller sonstigen Autoritäten verringerte. Ihr Widerstand sollte nicht ausreichen, die neue wirtschaftliche Dynamik Südafrikas zunichtezumachen. 1884 bekräftigte ein europäischer Besucher in Fingoland, dass das Volk
nun uns seine Loyalität bekundet. Seine Chiefs sind gewissermaßen zu adligen Grundbesitzern … ohne politische Macht geworden. Da er keine Angst mehr vor der Eifersucht des Chiefs oder vor dessen tödlicher Waffe hat –, dem Medizinmann, der den vermögenden Viehbesitzer, den fähigen Berater, die Einführung neuer Bräuche, den geschickten Landwirt niederstreckt und alle zu einheitlicher Mittelmäßigkeit verdammt –, da er vor alledem keine Angst mehr hat, ist der Fingo-Clan-Angehörige … ein fortschrittlicher Mann. Immer noch Kleinbauer … besitzt er Wagen und Pflüge, gräbt Bewässerungsrinnen und ist Eigner einer Schafherde.
Schon ein Mindestmaß an inklusiven Institutionen sowie die Machtaushöhlung der Chiefs und die Umgehung ihrer Verbote reichten aus, um einen afrikanischen Wirtschaftsboom zu ermöglichen. Freilich sollte er kurzlebig sein, denn schon zwischen 1890 und 1913 fand er ein abruptes Ende. In jenem Zeitraum waren zwei Kräfte wirksam, die den ländlichen Wohlstand und die Dynamik zerstörten, welche in den vorherigen fünfzig Jahren von Afrikanern geschaffen worden waren. Die erste Kraft war die Feindschaft der europäischen Bauern, die mit den Afrikanern konkurrieren mussten. Erfolgreiche afrikanische Bauern drückten die Preise für auch von den Europäern angebotene Produkte. Deren Reaktion bestand in dem Versuch, die Afrikaner vom Markt zu verdrängen. Die zweite Kraft war noch finsterer. Die Europäer benötigten billige Arbeitskräfte für die aufkeimenden Minen, und dieses Ziel war nur zu erreichen, wenn sie die Afrikaner der Armut auslieferten. Daran arbeiteten sie in den kommenden Jahrzehnten überaus methodisch.
Die Aussage, die George Albu, der Vorsitzende des Minenverbands, 1897 vor einem Untersuchungsausschuss machte, gibt treffend die Logik wieder, nach der man die Afrikaner in die Verarmung trieb, um billige Arbeitskräfte zu erhalten. Er erklärte seinen Vorschlag, die Arbeitskosten zu verringern, indem man »den Boys einfach mitteilt, dass ihre Löhne gesunken sind«. Hier seine Aussage:
Ausschuss: Angenommen, die Kaffern [frühere Bezeichnung für die Angehörigen eines Bantu-Stammes] ziehen sich zu ihrem Kral zurück? Wären Sie dafür, die Regierung um Verhängung von Zwangsarbeit zu bitten?
Albu:
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