Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)
vom europäischen Kolonialismus geschaffen wurde. Gewiss, die Homelands litten unter Armut und technologischer Rückständigkeit, und die Menschen waren schlecht ausgebildet, doch all das war das Ergebnis der Regierungspolitik. Sie hatte das afrikanische Wirtschaftswachstum erstickt und einen Bestand an billigen, ungebildeten afrikanischen Arbeitskräften geschaffen, die in den von Europäern kontrollierten Minen und auf deren Land beschäftigt wurden. Nach 1913 vertrieb man zahlreiche Afrikaner von ihren Parzellen, die den Weißen zufielen, und zwängte sie in die Homelands, die zu klein waren, als dass sie sich dort einen unabhängigen Lebensunterhalt hätten verdienen können. Wie geplant, mussten sie sich deshalb in der weißen Wirtschaft als billige Arbeitskräfte verdingen. Mit dem Zusammenbruch der ökonomischen Anreize wurden die Fortschritte der vorhergehenden fünfzig Jahre rückgängig gemacht. Die Afrikaner gaben ihre Pflüge auf und benutzten, wenn sie denn überhaupt Ackerbau betrieben, wieder Hacken. In den meisten Fällen konnten sie tatsächlich nur für Niedriglöhne arbeiten, was durch die Bildung der Homelands beabsichtigt worden war.
Nicht nur die wirtschaftlichen Anreize wurden zerstört, sondern auch die politischen Veränderungen, die sich angebahnt hatten. Die Macht der Chiefs und anderer traditioneller Herrscher wurde wieder gestärkt, denn im Rahmen der Schaffung billiger Arbeitskräfte hatte man das Privateigentum an Grund und Boden aufgehoben. Damit gewannen die Chiefs die Kontrolle über das Land zurück. Diese Maßnahmen erreichten ihren Höhepunkt im Jahr 1951, als die Regierung den Bantu Authorities Act verabschiedete. Bereits 1940 kam G. Findlay auf das entscheidende Problem zu sprechen:
Stammesbesitz ist eine Garantie dafür, dass das Land nie ordnungsgemäß bestellt und nie wirklich den Eingeborenen gehören wird. Billigarbeit benötigt eine billige Brutstätte, und die wird den Afrikanern auf deren eigene Kosten geliefert.
Die Enteignung der afrikanischen Bauern führte zur Massenarmut. Durch sie wurden nicht nur die institutionellen Grundlagen für eine rückständige Wirtschaft geschaffen, sondern auch die an ihr beteiligten bedürftigen Menschen.
Die vorliegenden Fakten lassen erkennen, wie sehr der Lebensstandard in den Homelands nach dem Natives Land Act von 1913 sank. Transkei und Ciskei wurden Opfer eines anhaltenden Verfalls. Die Personalunterlagen der Goldminengesellschaften, die der Historiker Francis Wilson sammelte, machen deutlich, dass der Verfall die südafrikanische Wirtschaft als Ganzes erfasste. Im Anschluss an den Natives Land Act und andere Gesetze gingen die Löhne der Minenarbeiter zwischen 1911 und 1921 um 30 Prozent zurück. Sogar 1961 lagen die Löhne trotz des relativ stetigen Wachstums der südafrikanischen Wirtschaft immer noch um 12 Prozent unter denen von 1911. Kein Wunder, dass Südafrika in diesem Zeitraum zu dem Land mit der größten sozialen Ungleichheit der Welt wurde.
Aber hätten sich Schwarzafrikaner unter solchen Umständen nicht in der europäischen, modernen Wirtschaft emporarbeiten, ein Unternehmen gründen oder eine Ausbildung absolvieren und Karriere machen können? Nein. Die Regierung sorgte dafür, dass so etwas unmöglich war. Kein Afrikaner durfte im europäischen Teil der Wirtschaft, der 87 Prozent des Landes ausmachte, Grund und Boden besitzen oder ein Geschäft eröffnen. Dem Apartheid-Regime war klar, dass gut ausgebildete Afrikaner mit Weißen konkurrieren würden, statt den Minen und der im Besitz der Weißen befindlichen Landwirtschaft als billige Arbeitskräfte zu dienen. Bereits 1904 wurde in den Minen ein System der Reservierung bestimmter Berufe für Europäer eingeführt. Kein Afrikaner durfte als Amalgamator, Hüttenprüfer, Einweiser, Schmied, Kesselschmied, Dreher, Metallarbeiter, Maurer oder Holzverarbeiter eingestellt werden. Mit einem Schlag war es Afrikanern verboten, irgendeine qualifizierte Arbeit im Minensektor auszuüben.
Dies war die erste Erscheinungsform der berühmten »Farbschranke«, einer von mehreren rassistischen Erfindungen des südafrikanischen Regimes. Die Farbschranke wurde 1926 auf die gesamte Wirtschaft übertragen und blieb bis in die 1980er Jahre bestehen. Deshalb sollte es nicht überraschen, dass Schwarzafrikaner unausgebildet waren: Der südafrikanische Staat entzog ihnen nicht nur die Möglichkeit, wirtschaftlichen Nutzen aus einer Ausbildung zu ziehen, sondern er weigerte sich
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