Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)

Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)

Titel: Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daron Acemoglu , James A. Robinson
Vom Netzwerk:
weiden ließen, nicht ihnen gehörte, sondern der britischen Regierung, was zuerst jedoch nebensächlich war. Die Squatter wurden zur wirtschaftlichen Elite Australiens, die man zutreffenderweise als »Squattokratie« bezeichnete.
    Trotz der Squattokratie hatte New South Wales kaum Ähnlichkeiten mit den absolutistischen Regimen Osteuropas oder mit den südamerikanischen Kolonien. Anders als in Österreich-Ungarn und in Russland gab es keine Leibeigenschaft, und im Unterschied zu Mexiko und Peru konnte man keine große indigene Bevölkerung ausbeuten. New South Wales war in vieler Hinsicht mit Jamestown, Virginia, zu vergleichen: Die Herrschenden stellten letzten Endes fest, dass es ihrem eigenen Interesse entsprach, Wirtschaftsinstitutionen aufzubauen, die erheblich inklusiver waren als die in Österreich-Ungarn, Russland, Mexiko und Peru. Die Sträflinge waren die einzigen Arbeitskräfte, und sie konnten nur dadurch motiviert werden, dass man ihnen Löhne zahlte.
    Bald erlaubte man den Häftlingen sogar, Unternehmer zu werden und Mitgefangene zu beschäftigen. Vor allem jedoch wurde ihnen nach Ableistung ihrer Strafe Land zugeteilt, und man stellte all ihre Rechte wieder her. Manche gelangten zu Reichtum, sogar der analphabetische Henry Cable. 1798 besaß er bereits ein Hotel namens Ramping Horse sowie einen Laden. Er erwarb ein Schiff und begann, mit Robbenfellen zu handeln. 1809 gehörten ihm mindestens neun Farmen mit ungefähr 470 Morgen, dazu eine Reihe von Läden und Häusern in Sydney.
    Der nächste Konflikt in New South Wales sollte sich zwischen der Elite und der übrigen Gesellschaft abspielen, die aus Häftlingen, Exhäftlingen und deren Familien bestand. Die Elite, angeführt von früheren Wärtern und Soldaten wie Macarthur, umfasste auch einige freie Siedler, die infolge des Booms in der Wollwirtschaft von der Kolonie angezogen worden waren. Der größte Teil des Landbesitzes befand sich weiterhin in den Händen der Elite, und die ehemaligen Häftlinge und ihre Nachkommen verlangten, dass die Deportationen beendet wurden, dass Jurys von ihresgleichen über sie zu Gericht saßen und dass sie kostenlos Grundstücke erhielten. All das lehnte die Elite ab. Ihr Hauptanliegen war es, sich Rechtstitel für das von ihr besetzte Land zu sichern. Erneut ähnelte die Situation derjenigen in Nordamerika über zwei Jahrhunderte zuvor. Wie wir im ersten Kapitel dargelegt haben, schlossen sich den Siegen der zur Zwangsarbeit gepressten Siedler über die Virginia Company ähnliche Kämpfe in Maryland sowie in North und South Carolina an. In New South Wales waren es Macarthur und die Squatter, welche die Rollen von Lord Baltimore und Sir Anthony Ashley-Cooper spielten. Die britische Regierung ergriff wiederum Partei für die Elite, obwohl sie fürchtete, dass Macarthur und die Squatter eines Tages in Versuchung geraten könnten, die Unabhängigkeit auszurufen.
    Im Jahr 1819 entsandte die britische Regierung John Bigge in die Kolonie, wo er eine Untersuchung über die dortigen Geschehnisse leiten sollte. Bigge war überrascht über die Rechte der Häftlinge und über den überwiegend inklusiven Charakter der Wirtschaftsinstitutionen. Er empfahl eine radikale Umgestaltung der Strafkolonie. Häftlinge und ehemalige Häftlinge sollten keinen Grundbesitz mehr erwerben, niemand dürfe Gefangenen fortan Lohn zahlen, die Begnadigungen müssten eingeschränkt und die Bestrafungen verschärft werden. Bigge hielt die Squatter für die natürliche Aristokratie Australiens und hatte die Vision einer von ihnen beherrschten autokratischen Gesellschaft. Diese Vorstellung ließ sich allerdings nicht umsetzen.
    Während Bigge versuchte, das Rad der Zeit zurückzudrehen, forderten die Exhäftlinge samt ihren Söhnen und Töchtern zusätzliche Rechte. Ihnen war klar geworden, dass sie, um ihre wirtschaftlichen und politischen Interessen, wie in den Vereinigten Staaten, vollauf durchsetzen zu können, politische Institutionen benötigten, die sie mit in den Entscheidungsprozess einbezogen. Sie verlangten nach Wahlen, an denen sie gleichberechtigt teilnehmen konnten, sowie nach repräsentativen Institutionen und Versammlungen, in denen sie Ämter ausüben durften.
    Die Exhäftlinge und ihre Nachkommen wurden von dem extravaganten Schriftsteller, Forscher und Journalisten William Wentworth angeführt. Er war ein leitendes Mitglied der ersten Expedition gewesen, welche die Blue Mountains überquerte und den Squattern das ausgedehnte

Weitere Kostenlose Bücher