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Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)

Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)

Titel: Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daron Acemoglu , James A. Robinson
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Regime, das der Logik des Teufelskreises folgte. Er regierte Sierra Leone, indem er das Volk auf ähnliche Art wie die Briten um seine Rohstoffe brachte. 1985 war er noch immer an der Macht, und zwar nicht, weil man ihn wiedergewählt, sondern weil er 1967 eine brutale Diktatur errichtet hatte. Er schikanierte oder ermordete seine politischen Gegner, vor allem die Mitglieder der SLPP. 1971 ernannte er sich zum Präsidenten, und nach 1978 verfügte Sierra Leone nur noch über eine einzige politische Partei, die APC. Dadurch festigte Stevens seine Macht, obwohl er den größten Teil des Landes in die Verarmung trieb.
    In der Kolonialzeit bedienten sich die Briten in Sierra Leone, wie in den meisten ihrer afrikanischen Kolonien, eines indirekten Regierungssystems. Es beruhte auf den Paramount Chiefs, die Steuern eintrieben, Recht sprachen und für Ordnung sorgten. Außerdem zwangen die Briten die Kakao- und Kaffeebauern ab 1949, all ihre Produkte an einen Wirtschaftsverband zu verkaufen, den das Kolonialamt vorgeblich zur Unterstützung der Farmer gegründet hatte. Die Preise für landwirtschaftliche Produkte schwankten heftig, und mit ihnen die Einkommen der Bauern. Den Wirtschaftsverband rechtfertigte man damit, dass er, nicht die Erzeuger, die Preisschwankungen auffangen würde. Waren die Weltmarktpreise hoch, würde er den Farmern in Sierra Leone etwas weniger zahlen; waren die Preise jedoch niedrig, würde er die Differenz ausgleichen.
    Grundsätzlich schien das eine gute Idee zu sein, doch die Realität sah ganz anders aus. Der Wirtschaftsverband benötigte zur Abdeckung seiner Betriebs- und Verwaltungskosten eine Einnahmequelle. Es bot sich an, diese Einnahmen zu erzielen, indem man den Bauern ein bisschen weniger zahlte, als sie in guten oder schlechten Jahren hätten erhalten sollen. Bald nutzte der Kolonialstaat den Wirtschaftsverband, um die Bauern massiv zu besteuern.
    Viele erwarteten, dass die schlimmsten Praktiken der Kolonialherrschaft im subsaharischen Afrika und die übermäßige Besteuerung der Bauern durch die Wirtschaftsverbände nach der Unabhängigkeit enden würden. Aber keines von beiden war der Fall. Im Gegenteil, die Ausbeutung der Bauern durch die Wirtschaftsverbände verschlimmerte sich noch. Mitte der 1960er Jahre erhielten die Erzeuger von Palmkernen 56 Prozent der Weltmarktpreise vom Wirtschaftsverband, die Kakaobauern 48 und die Kaffeebauern 49 Prozent. Als Stevens 1985 zugunsten seines von ihm ausgewählten Nachfolgers Joseph Momoh aus dem Präsidentenamt schied, lagen diese Zahlen sogar bei lediglich 37, 19 und 27 Prozent, und in der Zeit von Stevens’ Regierung hatten sie häufig bei nur 10 Prozent gelegen. Kurz, Stevens’ Regierung zweigte 90 Prozent der bäuerlichen Einnahmen ab. Die Gelder wurden aber nicht etwa für öffentliche Dienstleistungen wie Straßenbau oder Erziehung, sondern nur zu dem Zweck verwendet, ihn selbst und seine Kumpane zu bereichern und politische Unterstützung für sie zu erkaufen.
    Außerdem hatten die Briten das Amt des Paramount Chief auf Lebenszeit konzipiert. Um Chief werden zu können, musste der Kandidat einem mächtigen Herrscherclan angehören, also im Wesentlichen einem Königsgeschlecht oder einer der Elitefamilien, die im späten 19. Jahrhundert Verträge mit den Briten unterzeichnet hatten. Chiefs wurden gewählt, allerdings nicht demokratisch. Die Stammesbehörden, die sich aus untergeordneten Village Chiefs zusammensetzten und deren Mitglieder von den Paramount Chiefs oder britischen Verwaltungsbeamten ernannt worden waren, entschieden, wer das Amt eines Paramount Chief erhalten solle.
    Man hätte erwarten dürfen, dass diese Kolonialinstitution nach der Unabhängigkeit entweder abgeschafft oder zumindest reformiert worden wäre, doch sie blieb, genau wie der Wirtschaftsverband, unverändert bestehen. Noch heute sind Paramount Chiefs für den Steuereinzug zuständig. Zwar bezahlt man keine Hüttensteuer mehr, sondern eine damit eng verwandte Kopfsteuer. Im Jahr 2005 wählte die Stammesbehörde in Sandor einen neuen Paramount Chief. Nur Angehörige des (einzigen) Herrscherhauses der Fasaluku durften kandidieren. Der Gewinner war Sheku Fasaluku, der Ururenkel von König Suluku.
    Die Eigenschaften der Wirtschaftsverbände und der traditionellen Systeme des Grundeigentums erklären weitgehend, warum die landwirtschaftliche Produktivität in Sierra Leone und in vielen anderen Staaten des subsaharischen Afrika so niedrig ist. Der Politologe

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