Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)
spielten eine wichtige Rolle bei der Kampagne für das allgemeine und geheime Wahlrecht.
Wir haben bereits zwei schädliche Faktoren der europäischen Expansion und Kolonialherrschaft in Afrika beschrieben: die Einführung des transatlantischen Sklavenhandels, der die Entwicklung verschärfter extraktiver politischer und wirtschaftlicher Institutionen in Afrika förderte, sowie die Anwendung der kolonialen Gesetzgebung und kolonialer Institutionen, um die afrikanische Landwirtschaft als Konkurrenz zur europäischen auszuschalten.
Die Sklaverei war unzweifelhaft auch in Sierra Leone ein bedeutender Faktor. Zur Zeit der Kolonisierung gab es, wie gesagt, im Innern keinen starken zentralisierten Staat, sondern nur viele kleine Königreiche, die einander unablässig überfielen und gegenseitig ihre Männer und Frauen entführten. Schätzungsweise 50 Prozent der Bevölkerung arbeiteten als Sklaven. Wegen der dort grassierenden Krankheiten waren größere weiße Siedlungen in Sierra Leone, anders als in Südafrika, unmöglich. Infolgedessen gab es keine Weißen, die mit den Afrikanern konkurrierten. Das Fehlen einer Bergbauwirtschaft nach den Maßstäben von Johannesburg sowie die fehlende Nachfrage nach afrikanischen Arbeitskräften durch weiße Farmen bedeuteten zudem, dass kein Anreiz existierte, die für das Südafrika der Apartheid so kennzeichnenden extraktiven Arbeitsmarktinstitutionen zu schaffen.
Doch gleichzeitig waren andere Mechanismen wirksam. Die Kakao- und Kaffeefarmer von Sierra Leone hatten zwar keine weiße Konkurrenz, doch die Höhe ihrer Einnahmen wurde weiterhin durch ein Regierungsmonopol, den Wirtschaftsverband, bestimmt. Zudem litt das Land unter indirekter Herrschaft. In vielen Teilen Afrikas, wo die britischen Behörden auf eine indirekte Regierung zurückgreifen wollten, fanden sie Völker vor, die keine anpassungsfähige Zentralgewalt besaßen. Zum Beispiel hatten die Igbo-Völker im östlichen Nigeria keine Oberhäupter. Daraufhin ernannten die Briten sogenannte Warrant Chiefs. In Sierra Leone dagegen konnten sie ihre indirekte Herrschaft auf existierende einheimische Institutionen und Autoritätssysteme stützen.
Ungeachtet der historischen Grundlage für die Anerkennung der Paramount Chiefs im Jahr 1896 wurde die Politik von Sierra Leone durch die indirekte Herrschaft und die Bevollmächtigung dieser Amtsträger völlig umgestaltet. Zum einen bildete sich durch die Herrscherhäuser ein vorher unbekanntes soziales Schichtensystem heraus. Der neue Erbadel trat an die Stelle einer Struktur, die viel flexibler gewesen war und in der die Chiefs die Unterstützung durch die Allgemeinheit benötigt hatten. Stattdessen entstand nun ein starres System mit auf Lebenszeit amtierenden Chiefs, die allein ihren Gönnern in Freetown oder Großbritannien verpflichtet waren und dem von ihnen regierten Volk kaum noch Rechenschaft abzulegen brauchten. Den Briten gefiel es, die Institutionen noch auf andere Art zu zerrütten, beispielsweise indem sie legitime Chiefs durch kooperativere Männer ersetzten. So gelangte die Familie Margai, welche die beiden ersten Premierminister des unabhängigen Sierra Leone stellte, in der Chieftaincy von Lower Banta an die Macht, indem sie in der Hüttensteuer-Rebellion für die Briten und gegen den herrschenden Chief Nyama Partei ergriff. Nyama wurde abgesetzt, und die Margais hielten die Position der Chiefs bis 2010.
Bemerkenswert ist die Kontinuität vom kolonialen zum unabhängigen Sierra Leone. Die Briten richteten Wirtschaftsverbände zur Besteuerung der Bauern ein, und die postkolonialen Regierungen taten das Gleiche unter noch ausbeuterischeren Bedingungen. Zudem bauten die Briten ein System der indirekten Herrschaft durch die Paramount Chiefs auf, und die neuen Regierungen schafften diese Kolonialinstitutionen nach der Unabhängigkeit nicht ab, sondern weiteten sie auf die ländlichen Gebiete aus. Die Briten errichteten ein Diamantenmonopol und versuchten, afrikanische Schürfer fernzuhalten. Nach der Unabhängigkeit wurde das Monopol sogar noch verstärkt. Lediglich in Bezug auf die Eisenbahn gibt es einen Unterschied. Während die Briten meinten, dass der Eisenbahnbau helfen könne, Mendeland zu regieren, war Siaka Stevens gegenteiliger Ansicht. Dies liegt daran, dass sich die Briten auf ihre Armee verlassen und sie im Fall einer Rebellion nach Mendeland schicken konnten, was für Stevens nicht in Frage kam. Wie in vielen anderen afrikanischen Staaten wäre eine
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