Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)
Hauptgegner aus. Dann übernahm er die Führung des Regimes, das im November desselben Jahres nur durch umfangreiche Waffenlieferungen und Soldaten aus der Sowjetunion und Kuba vor dem Kollaps gerettet wurde. 1978 veranstaltete Mengistu eine nationale Feier aus Anlass des vierten Jahrestags von Haile Selassies Sturz. Inzwischen war Mengistu das unangefochtene Oberhaupt des Derg. Als Residenz, von der aus er Äthiopien regieren wollte, hatte er sich Selassies Großen Palast ausgewählt, der seit der Abschaffung der Monarchie leergestanden hatte. Vor der Feier saß er, ähnlich wie der frühere Kaiser, auf einem vergoldeten Sessel und schaute der Parade zu. Fortan wurden offizielle Veranstaltungen wieder im Großen Palast abgehalten, wobei Mengistu stets auf Haile Selassies altem Thron Platz nahm. Er begann, sich mit Kaiser Tewodros zu vergleichen, der die Salomonische Dynastie Mitte des 19. Jahrhunderts nach einer Zeit des Verfalls neu begründet hatte.
Einer seiner Minister, Dawit Wolde Giorgis, schrieb in seinen Erinnerungen:
Zu Beginn der Revolution wiesen wir alles zurück, was mit der Vergangenheit zu tun hatte. Wir fuhren nicht mehr mit Autos noch trugen wir Anzüge; Krawatten galten als verbrecherisch. Alles, was einen wohlhabend oder bourgeois aussehen ließ, alles, was prachtvoll oder mondän wirkte, wurde als Teil der alten Ordnung verachtet. Dann, um 1978, änderten sich die Dinge. Allmählich wurde Materielles akzeptiert und dann gefordert. Designerkleidung von den besten europäischen Couturiers wurde zur Uniform sämtlicher hohen Regierungsvertreter und der Mitglieder des Militärrats. Wir hatten von allem das Beste: die besten Häuser, die besten Autos, den besten Whisky, den besten Champagner, die besten Lebensmittel. Es war eine völlige Verkehrung der Revolutionsideale.
Giorgis schildert auch, wie Mengistu sich veränderte, nachdem er Alleinherrscher geworden war:
Der wahre Mengistu erschien: rachsüchtig, grausam und autoritär … Viele von uns, die früher bei Gesprächen mit ihm die Hände in die Taschen gesteckt hatten, als wäre er einer von uns, standen plötzlich in Habachtstellung da, vorsichtig und respektvoll in seiner Gegenwart. Einst hatten wir ihn vertraulich mit ante , »du«, angesprochen, doch nun wechselten wir zu dem förmlichen ersiwo , »Sie«, über. Er zog in ein größeres, feudaleres Büro in Meneliks Palast um … Er benutzte die Fahrzeuge des Kaisers … Wir hatten eine Revolution der Gleichheit angestrebt; nun war er zum neuen Kaiser geworden.
Das Muster des Teufelskreises, das sich am Übergang von Haile Selassie zu Mengistu oder von den britischen Kolonialgouverneuren von Sierra Leone zu Siaka Stevens zeigt, ist so extrem und merkwürdig, dass es eine spezielle Bezeichnung verdient. Wie bereits im vierten Kapitel erwähnt, sprach der deutsche Soziologe Robert Michels vom Ehernen Gesetz der Oligarchie. Die innere Logik der Oligarchien – und überhaupt aller hierarchischen Organisationen – besteht laut Michels darin, dass sie sich nicht nur dann reproduzieren, wenn die gleiche Gruppe an der Macht ist, sondern auch dann, wenn eine völlig neue Gruppe das Ruder übernimmt. Michels dachte dabei möglicherweise nicht an Karl Marx’ Aussage, dass die Geschichte sich »das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce« wiederholt.
Nicht genug damit, dass viele afrikanische Führer nach der Unabhängigkeit in dieselben Residenzen zogen, die gleichen Protektionsnetzwerke benutzten sowie die Märkte genauso manipulierten und die Ressourcen genauso ausbeuteten wie die Kolonialregime und die Kaiser, die sie ersetzten – nein, sie machten die Situation noch schlimmer. Es war tatsächlich eine Farce, dass der durch und durch antikolonialistische Stevens dasselbe Volk, die Mende, unterjochte, das auch schon die Briten unterdrückt hatten; dass er sich auf dieselben Chiefs stützte, mit deren Hilfe die Briten das Hinterland überwacht hatten; dass er die Wirtschaft genauso lenkte, die Bauern durch die gleichen Wirtschaftsverbände enteignete und die Diamanten mit einem ähnlichen Monopol für sich beanspruchte. Es war ebenfalls eine sehr traurige Farce, dass Laurent Kabila, der eine Armee gegen Mobutus Diktatur mobilisiert und dem Volk versprochen hatte, es zu befreien und die erstickende, ins Elend führende Korruption und Unterdrückung von Mobutus Regime in Zaire zu beenden, anschließend selbst ein Regime errichtete, das genauso korrupt und vielleicht sogar
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