Warum Sex Spass macht
etwa zehn Jahre später sind sie völlig steril. Manche Frauen haben zwar bis zum 45. oder auch 55. Lebensjahr weiter regelmäßige Menstruationszyklen, aber bevor man in jüngerer Zeit medizinische Methoden wie Hormontherapie und künstliche Befruchtung entwickelte, kam eine Befruchtung nach dem 50. Geburtstag nur sehr selten vor. Bei den amerikanischen Hutterern zum Beispiel, einer streng religiösen Gemeinschaft, die gut ernährt ist und Empfängnisverhütung strikt ablehnt, bekommen die Frauen ihre Kinder, so schnell es biologisch für Menschen überhaupt möglich ist – zwischen den Entbindungen liegen im Durchschnitt zwei Jahre –, und am Ende haben sie im Mittel elf Kinder. Aber auch die Hutterer-Frauen bekommen nach dem 49. Lebensjahr keinen Nachwuchs mehr.
Für Laien sehen die Wechseljahre aus wie ein unausweichlicher Bestandteil des Lebens, allerdings ein schmerzhafter, den man mit bösen Vorahnungen erwartet. Aber der Evolutionsbiologe sieht darin eine Abweichung in der Tierwelt und einen theoretischen Widerspruch. Das Wesen der natürlichen Selektion besteht darin, daß sie Gene für Merkmale begünstigt, die zu einer höheren Zahl von Nachkommen mit diesen Genen führen. Wie kann die natürliche Selektion zulassen, daß jedes weibliche Mitglied einer Spezies Gene trägt, die ihre Fähigkeit zur Produktion weiterer Nachkommen ersticken? Alle biologischen Eigenschaften unterliegen genetischen Schwankungen, und eine davon ist auch das Alter beim Einsetzen der Wechseljahre. Nachdem die Wechseljahre sich – aus welchen Gründen auch immer – bei den Menschen durchgesetzt haben, muß man sich fragen, warum sich das Alter bei ihrem Einsetzen nicht immer weiter nach hinten verschoben hat, bis sie schließlich wieder verschwanden, denn Frauen, die erst in höherem Alter in die Wechseljahre kommen, hinterlassen im Durchschnitt mehr Kinder. So gehören die Wechseljahre der Frau für die Evolutionsbiologen zu den bizarrsten Eigenschaften der menschlichen Sexualität. Und wie ich darlegen werde, sind sie auch eine der wichtigsten. Neben unserem großen Gehirn und dem aufrechten Gang (die in jeder Beschreibung der menschlichen Evolution hervorgehoben werden), dem versteckten Eisprung und dem Hang, Sex zum Vergnügen zu betreiben (dem in der Regel in solchen Darstellungen viel weniger Aufmerksamkeit geschenkt wird), gehören nach meiner Überzeugung auch die weiblichen Wechseljahre zu den Merkmalen, die uns eindeutig zu Menschen gemacht haben – zu Geschöpfen, die mehr sind als Menschenaffen und sich qualitativ von ihnen unterscheiden.
Viele Biologen würden auf das eben Gesagte unwillig reagieren. Sie würden argumentieren, die Wechseljahre der Frauen seien kein ungelöstes Rätsel, und man brauche sie nicht weiter zu erörtern. In der Regel werden dabei drei Einwände erhoben.
Erstens: Manche Biologen tun die Wechseljahre der Frau als Kunstprodukt ab, das sich aus der gestiegenen Lebenserwartung der Menschen ergebe. Ursache dieses Anstiegs seien nicht nur die Verbesserungen im öffentlichen Gesundheitswesen der letzten hundert Jahre, sondern vermutlich auch die Entstehung der Landwirtschaft vor zehntausend Jahren und mit noch größerer Wahrscheinlichkeit sogar evolutionäre Veränderungen, die den Menschen seit etwa vierzigtausend Jahren zu einer besseren Überlebensfähigkeit verholfen haben. Nach dieser Ansicht kamen die Wechseljahre während eines Großteils der mehrere Millionen Jahre umfassenden menschlichen Evolution nur sehr selten vor, weil (vermutlich) nur die wenigsten Frauen und Männer älter als vierzig Jahre wurden. Die weiblichen Fortpflanzungsorgane waren natürlich darauf programmiert, ihre Tätigkeit mit vierzig Jahren einzustellen, weil sie danach ohnehin keine Gelegenheit mehr gehabt hätten, ihre Aufgabe zu erfüllen. Die Lebenserwartung habe in unserer Entwicklungsgeschichte erst in jüngster Zeit zugenommen, so daß die Fortpflanzungsorgane der Frauen sich darauf noch nicht einstellen konnten – so jedenfalls dieser Einwand. Übersehen wird dabei allerdings die Tatsache, daß die männlichen Fortpflanzungsorgane und auch alle anderen biologischen Funktionen von Männern und Frauen bei den meisten Menschen auch jenseits der Vierzig noch jahrzehntelang funktionieren. Man müßte also annehmen, daß alle anderen biologischen Funktionen sich sehr rasch an die verlängerte Lebenszeit anpassen konnten, und dann wäre nicht zu erklären, warum die weibliche Fortpflanzungsfähigkeit als
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