Warum Sex Spass macht
Regel. Ein Elefant gilt zum Beispiel mit fünfundfünfzig Jahren als alt – 95 Prozent seiner Artgenossen sterben in jüngeren Jahren. Aber die Fruchtbarkeit fünfundfünfzigjähriger Elefantenweibchen ist immer noch halb so hoch wie die ihrer jüngeren Geschlechtsgenossinnen.
Wechseljahre sind also im Tierreich etwas so Ungewöhnliches, daß ihre Evolution beim Menschen einer besonderen Erklärung bedarf. Von den Grindwalen, deren Vorfahren sich in der Entwicklung schon vor über fünfzig Millionen Jahren von unseren trennten, haben wir sie sicher nicht geerbt. Sie müssen vielmehr entstanden sein, nachdem unsere Vorfahren sich vor sieben Millionen Jahren von denen der Schimpansen und Gorillas getrennt hatten, denn wir machen Wechseljahre durch, Menschenaffen aber offenbar nicht (oder zumindest nicht regelmäßig).
Der dritte und letzte Einwand erkennt an, daß die Wechseljahre der Menschen ein altes, bei Tieren ungewöhnliches Phänomen sind. Aber, so sagen seine Vertreter, wir brauchen nicht nach einer Erklärung zu suchen, weil das Rätsel bereits gelöst ist. Die Antwort ergibt sich nach ihrer Ansicht aus dem physiologischen Mechanismus der Menopause: Alle Eizellen einer Frau sind bereits bei der Geburt angelegt; später kommen keine mehr hinzu. In jedem Menstruationszyklus geht eine Eizelle (oder auch mehrere) verloren, und noch weit mehr Eizellen sterben einfach ab (Atresie). Um das fünfzigste Lebensjahr herum ist der Eizellenvorrat weitgehend erschöpft; die verbliebenen Zellen sind ein halbes Jahrhundert alt, reagieren immer weniger auf die Hypophysenhormone und sind nicht mehr zahlreich genug, um die notwendigen Östradiolmengen zur verstärkten Ausschüttung der Hypophysenhormone zu erzeugen.
Aber gegen diesen Einwand gibt es ein schlagendes Gegenargument. Die Behauptung als solche ist zwar nicht falsch, aber sie ist unvollständig. Die Erschöpfung und Alterung des Eizellenvorrats sind zwar die unmittelbaren Ursachen der Menopause, aber warum wurden die Frauen von der natürlichen Selektion so programmiert, daß die Eizellen in den Vierzigern zur Neige gehen oder nicht mehr auf Hormone ansprechen? Es gibt keinen überzeugenden Grund, warum Frauen nicht auch eine doppelt so große Anfangszahl von Eizellen hätten entwickeln können oder auch Zellen, die selbst nach einem halben Jahrhundert noch auf Hormone reagieren. Die Eizellen von Elefanten, Bartenwalen und vielleicht auch Albatrossen bleiben mindestens sechzig Jahre lang funktionsfähig, und Schildkröteneier leben noch viel länger; die gleiche Fähigkeit hätte sich vermutlich auch bei menschlichen Eizellen entwickeln können. Unvollständig ist der letzte Einwand aus einem ganz fundamentalen Grund: Er verwechselt den unmittelbaren Anlaß mit der letzten Ursache. Ein unmittelbarer Anlaß ist der nächstliegende, direkte Auslöser, die letzte Ursache dagegen ist der Ausgangspunkt jener Kette von Faktoren, die zu dem unmittelbaren Anlaß führt. Wenn beispielsweise eine Ehe scheitert, ist der unmittelbare Anlaß vielleicht die Tatsache, daß der Mann von einer außerehelichen Affäre seiner Frau erfahren hat, aber die letzte Erklärung liegt vielleicht in der Gefühllosigkeit des Ehemannes und darin, daß das Paar grundsätzlich nicht zusammenpaßte, so daß die Frau sich einen Liebhaber gesucht hat. Physiologen und Molekularbiologen tappen regelmäßig in die Falle, diese Unterscheidung zu übersehen, die für Biologie, Geschichte und Verhalten der Menschen von grundlegender Bedeutung ist. Physiologie und Molekularbiologie können nur unmittelbare Mechanismen nachweisen; die letzten kausalen Erklärungen liefert die Evolutionsbiologie. Ein einfaches Beispiel sind die sogenannten Giftfrösche: Daß sie giftig sind, hat den unmittelbaren Grund, daß sie eine tödliche chemische Verbindung namens Batrachotoxin ausscheiden. Aber diesen molekularbiologischen Mechanismus kann man eigentlich als unwichtiges Detail betrachten, denn viele andere Giftstoffe könnten den gleichen Zweck erfüllen. Die letzte kausale Erklärung lautet: Giftfrösche haben giftige Chemikalien entwickelt, weil sie kleine und ansonsten schutzlose Tiere sind, die für Raubtiere eine leichte Beute wären, würden sie sich nicht durch das Giftschützen.
Wie wir in diesem Buch schon mehrfach erfahren haben, betreffen die großen Fragen der menschlichen Sexualität nicht die unmittelbaren physiologischen Mechanismen, sondern ihre letzten Ursachen in der Evolution. Ja, Sex macht uns
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