Warum tötest du, Zaid?
kontrolliert. Abu Saeed stellt mich als deutschen Arzt vor, der sich in Ramadi um verwundete Kinder kümmern wolle. Aber niemand glaubt ihm, dass ich als Deutscher freiwillig und ohne den Schutz der amerikanischen Armee nach Ramadi will.
Wir werden deshalb zu einem Beamten gebracht, der für Sonderfälle zuständig ist. Er teilt uns mit ernster Miene mit, dass ich trotz meines syrischen und irakischen Visums
nicht einreisen dürfe. Hierzu benötige man eine Sondergenehmigung des syrischen Innenministeriums.
Wir weisen darauf hin, dass ich eine Sondergenehmigung des irakischen Innenministeriums hätte, die sei ja schließlich viel wichtiger. Ich hatte Monate gebraucht, um sie zu erhalten, und nun sollte sie wertlos sein? Das Gespräch wird heftiger, das Gesicht des Beamten immer abweisender. Geldscheine wechseln ihren Besitzer und werden dankbar angenommen. Aber der Beamte bleibt bei seinem Nein.
Wir bestehen darauf, seinen Vorgesetzten sprechen zu dürfen. Dem Wunsch wird achselzuckend nachgegeben. Abu Saeed schildert dem müde gähnenden Vorgesetzten leidenschaftlich, wie dringend die Kinder von Ramadi meine Hilfe bräuchten. Es sei doch völlig normal, dass ich mir vor Ort ein Bild von der Lage im Irak verschaffen wolle. Abu Saeed redet und redet.
Nach einer Viertelstunde kapituliert der Beamte. Er habe zwar noch nie einen Deutschen erlebt, der nach Kriegsbeginn auf diesem Weg nach Ramadi gefahren sei. Aber sei’s drum: »Yallah, fahren Sie mit Gott, aber fahren Sie!« Erschöpft lehnt er sich in seinen Sessel zurück. Er möchte seine Ruhe haben und weiterdösen.
Man kann den Syrern viel vorwerfen, aber nicht, dass sie die Einreise in den Irak leicht machen. Widerstandskämpfer oder Terroristen, die den Irak von Syrien her zu infiltrieren versuchen, dürften es schwer haben, die Grenze legal zu passieren. Angesichts der Lebensfeindlichkeit der Wüste dürfte auch das illegale Einsickern über die sogenannte grüne Grenze, die hier im gelben Sand versinkt, ein nicht ungefährliches Unterfangen sein. Aber wirklich überwachbar ist die mehr als sechshundert Kilometer lange Wüstengrenze zwischen Syrien und dem Irak nicht.
Wegen der Schwierigkeiten, ein offizielles Visum für den Irak zu bekommen, hatten meine Kontaktleute und Abu Saeed die Möglichkeit, mich illegal in den Irak zu schleusen, wochenlang geprüft. Aber sie hatten diese Option schließlich wegen ihrer Gefährlichkeit verworfen. Außerdem hätte mir dann im Irak, wo man an fast jeder Straßenkreuzung von Polizei oder Militär kontrolliert wird, der Einreisestempel gefehlt. Ich wäre bei der ersten Kontrolle verhaftet worden.
Um 10.15 Uhr – wir befinden uns immer noch auf syrischem Boden – dürfen wir endlich weiterfahren. Im Slalom geht es um Betonsperren, Sandsäcke und bedrohlich wirkende Schießstände herum auf eine große vierspurige Straße. Sie führt, gesäumt von meterhohen Betonmauern, durch fünf Kilometer Niemandsland Richtung irakische Grenze.
Rechts von uns, zwischen Straße und Betonmauer, sehen wir fünfzig bis sechzig erbärmliche Zelte, auf denen das Logo des UN-Flüchtlingskommissars, UNHCR, prangt. Hier haben einige hundert Palästinenser, die vor den Milizen irakischer Politiker geflohen sind, eine jämmerliche Zuflucht gefunden. Dem Irak nicht richtig entkommen, in Syrien und auch in anderen Ländern unerwünscht, sind sie in brütender Hitze ein Nichts im Niemandsland.
Wir nähern uns dem irakischen Kontrollposten. Ein Schild mit roten Buchstaben auf weißem Hintergrund empfängt uns: »Versuchen Sie nicht, die Kontrolllinien zu überschreiten oder die Grenzpolizei zu bestechen! Halten Sie sich von der Wüste fern! Wer gegen diese Anweisung verstößt, wird verhaftet, verhört und eingesperrt.«
Keine Bestechungsgelder im Irak, das klingt nach unseren syrischen Erfahrungen wie ein Versprechen des Himmels. Aber das Verbot, die Wüste zu betreten, hätte man
sich sparen können. Kein normaler Mensch würde angesichts der waffenstarrenden Kontrolltürme und Schießstände sowie der Unwirtlichkeit der Wüste auch nur einen Augenblick daran denken, von hier aus einen Abstecher in die Wüste zu wagen.
Die Temperatur ist inzwischen auf 48 Grad gestiegen. Durch Sperr- und Schießanlagen geht es wieder im Slalom und »Stop-and-go« durch mehrere Kontrollposten. Überall stehen vermummte irakische Soldaten und schwer bewaffnete amerikanische Sicherheitskräfte. Ob Letztere Söldner der sogenannten »Blackwater-Armee« sind,
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