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Warum tötest du, Zaid?

Warum tötest du, Zaid?

Titel: Warum tötest du, Zaid? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Widerstand.
    Für Schiiten und Sunniten gelte ein und derselbe Koran. Der einzig nennenswerte Unterschied bestehe darin, dass die späteren Schiiten nach dem Tode Mohammeds nur die Nachkommen der Prophetenfamilie als Führer der muslimischen Gemeinde anerkennen wollten. Die Sunniten hingegen hätten darauf bestanden, ihre Gemeindeführer, die »Kalifen«, nicht nach Herkunft, sondern nach politischer und religiöser Eignung zu bestimmen. Das habe später zum Bruch, zum »Schisma«, geführt.
    Abu Saeed genießt es, mit seinen historischen Kenntnissen glänzen zu können. Er fährt fort, er sei Sunnit, seine Frau Schiitin. Das sei im Irak etwas ganz Normales. Er habe nie darüber nachgedacht, ob seine Kinder jetzt Sunniten oder Schiiten seien. Selbst als ehemaliger Historiker wisse er nicht, ob es hierzu Regeln gebe. Das interessiere im Irak niemand. Auch viele Kurden in Bagdad und Mossul fühlten sich, anders als manche ihrer politischen Führer, in erster Linie als Iraker. 6

    Der Versuch des Westens, Sunniten und Schiiten gegeneinander auszuspielen, werde scheitern. Sie seien Muslime. Sie seien stolz, Muslime und Iraker zu sein. Auch im Krieg mit dem Iran hätten Sunniten und Schiiten jahrelang Seite an Seite gekämpft.
    Nach dem Krieg mit den USA im Jahr 1991 habe es zwar im überwiegend schiitischen Süden einen Aufstand gegeben. Dies sei jedoch nicht, wie oft behauptet, ein Aufstand der Schiiten gegen die Herrschaft der Sunniten gewesen, sondern ein von den USA und dem Iran angezettelter und finanzierter Versuch, Saddam zu schwächen und nach Möglichkeit zu stürzen.
    Ich fasse nach und frage Abu Saeed nach der Gewalt zwischen Sunniten und Schiiten, die der Weltöffentlichkeit jeden Abend auf Fernsehbildschirmen entgegenflimmere. Die könne man doch nicht einfach wegdiskutieren.
    Abu Saeed entgegnet, diese Menschen, die sich auf Marktplätzen und vor Moscheen in die Luft sprengten, seien terroristische Mörder. d Mit dem irakischen Widerstand
hätten sie nichts zu tun. Nach einem aktuellen Bericht von Newsweek Online stammten über drei Viertel der Selbstmordattentäter aus dem Ausland. e
    Hier finde ein teuflisches Spiel statt: Die Akteure seien Al-Qaida, die von angeblichen Wohlfahrtsorganisationen in Saudi-Arabien und den Golfstaaten finanziert werde, die Milizen schiitischer Politiker, die häufig vom Iran gesponsert würden, und die Geheimdienste einiger Länder, die ein Interesse am Auseinanderbrechen des Irak hätten.
    Alle drei Gruppen gingen immer nach dem gleichen Schema vor: Sie hetzten durch spektakuläre Anschläge einzelne Bevölkerungsgruppen gegeneinander auf. Die sunnitische Al-Qaida sprenge schiitische Heiligtümer und Marktplätze in die Luft, während die schiitischen Politikermilizen Anschläge gegen sunnitische Heiligtümer und
Wohngegenden durchführten. Und ausländische Agenten bombten gegen beide, gegen Sunniten und Schiiten. Anschließend zeigten ihre Hintermänner dann mit gespielter Verachtung auf die Iraker, die sich angeblich »wie Wilde gegenseitig umbringen«.
    Jeder im Irak wisse, dass ein Teil der Anschläge von ausländischen Diensten inszeniert sei. So habe selbst der schiitische Milizenführer Muktada al-Sadr kürzlich öffentlich erklärt, der erneute Angriff auf die berühmte schiitische Goldene Moschee von Samarra 7 im Juni 2007 sei nicht von irakischen Sunniten, sondern von den Besatzungsmächten arrangiert worden. Das sei sehr bemerkenswert, da Muktada al-Sadr als »Schützling des Iran« selbst für viele Anschläge auf Sunniten verantwortlich sei. f
    Als ich Abu Saeed zweifelnd anschaue, weil mir das
alles zu sehr nach orientalischer Verschwörungstheorie klingt, zieht er einen Artikel einer arabischen Zeitung aus der Tasche, der sich auf die zuvor erwähnte Meldung von Newsweek Online bezieht. Abu Saeed liest mir vor, dass von 139 untersuchten Selbstmordanschlägen im Irak nur 18 von Irakern, aber 53 von Saudis, acht von Italienern, je zwei von Belgiern, Franzosen und Spaniern und einer von einem Engländer ausgeführt worden seien. Das bedeute, dass 87 Prozent der aufgezählten Selbstmordanschläge auf das Konto von Ausländern gingen. Auch die US-Streitkräfte hätten vor einigen Tagen offiziell bestätigt, dass zwischen 80 und 90 Prozent der Selbstmordattentate von ausländischen Terroristen begangen würden. g
    Abu Saeed hat sich über diesen Punkt offenbar vorher genau informiert. »Warum«, fragt er mich, »fallt ihr auf dieses traurige Spiel, das die USA und

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