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Warum tötest du, Zaid?

Warum tötest du, Zaid?

Titel: Warum tötest du, Zaid? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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waffenstarrenden »Geisterfahrer« steuern direkt auf uns zu. Auf dem Dach des ersten Humvee blinkt ein rotes Warnlicht.
    Musa tritt voll auf die Bremse, wirft sein Handy auf Saeeds Schoß und reißt den Wagen scharf nach rechts. Quietschend kommt der Wagen schräg auf der Standspur zum Stehen. Langsam schiebt sich die Humvee- und Panzerkolonne näher. Alle im Auto sind hellwach.
    Ich fotografiere weiter, obwohl Abu Saeed brüllt, ich solle sofort aufhören. Die würden auf alles schießen, was ihnen verdächtig vorkomme. Die amerikanische Militärkolonne ist jetzt nur noch wenige Meter von uns entfernt. Die Maschinengewehre der Humvees und die Geschütze der Panzer sind auf uns gerichtet. Ich verstecke die Kamera im Netz hinter dem Fahrersitz und warte.
    Fast im Schritttempo fahren die Militärfahrzeuge auf uns zu und dann an uns vorbei. Ich sehe die Gesichter der Soldaten, die auf unser Auto starren. Abu Saeed hält seinen kleinen Sohn ganz fest in den Armen. Er ist kreidebleich. Dann endlich, nach einigen Minuten, die uns wie eine Ewigkeit vorkommen, ist der Spuk vorbei.
    Abu Saeed dreht sich zu mir um und sagt noch einmal flehentlich: »Doktor, bitte nicht mehr fotografieren. Das ist wirklich zu gefährlich. Die GIs sehen auch bei verdunkelten Scheiben, dass sie fotografiert werden. Die schießen sehr schnell.«
    Während Abu Saeed noch auf mich einredet, bemerke ich, wie sich auf der Gegenfahrbahn ein kilometerlanger Konvoi von Versorgungsfahrzeugen nähert. Er ist also der Grund dafür, dass unsere Straßenseite militärisch gesichert und unser Chevrolet fast in den Straßengraben gezwungen wurde.
    Der Konvoi wird angeführt von gepanzerten Humvees. Nach je sechs Lastwagen folgt ein Schützenpanzer oder
ein weiterer Humvee. Ziel der fast endlosen Kolonne ist offenbar Jordanien. Der Nachschub aus diesem Nachbarland des Irak ist von großer Bedeutung für die Besatzungsmächte.
    Musa fährt sehr langsam wieder los, nicht schneller als die Transportfahrzeuge auf der Gegenfahrbahn. Das sei eine eiserne Regel, erklärt mir Abu Saeed. Niemand dürfe auf seiner Fahrbahn näher als 150 Meter an Militärkonvois heranfahren, und niemand dürfe schneller fahren als ein Militärkonvoi auf der Gegenfahrbahn. Gegen diese Regel zu verstoßen sei fast immer tödlich. Manche Fahrer der ausgebrannten Fahrzeuge links und rechts der Straße hätten nur diese eine Regel missachtet.
    Es ist 14 Uhr – noch zwei Stunden bis Ramadi. Die Autobahn ist jetzt wieder wie leer gefegt.
    Abu Saeeds Bericht zur Lage
    Ich frage Abu Saeed, der es übernommen hat, mich in den nächsten Tagen mit Vertretern des irakischen Widerstands zusammenzubringen, ob er selbst dem Widerstand angehöre. Er lacht: »Wir sind alle Mitglieder des Widerstands, jeder auf seine Weise, der eine direkt, der andere indirekt. Das Volk ist im Widerstand. Alle helfen irgendwie mit, wie in fast jedem besetzten Land der Welt. Mit Geld, mit Informationen, mit Essen, mit Unterkunft – was gerade gebraucht wird.«
    Er selbst nehme nicht direkt an Kämpfen teil. Aber wie alle Iraker helfe er, wo er könne. Allerdings unterstütze er nur den »wirklichen Widerstand« und nicht die »Terroristen« von Al-Qaida oder die Milizen der schiitischen Politiker.
    Ich frage nach, ob wirklich alle Iraker hinter dem Widerstand
stünden. Abu Saeed überlegt: Wenn man den gesamten Irak nehme, einschließlich der Kurden, unterstützten sicher 70 Prozent der Bevölkerung den Widerstand.
    Ein Teil der politischen Klasse habe sich allerdings mit den Besatzern arrangiert – nicht aber die Bevölkerung. Zwischen der irakischen Regierung und der irakischen Bevölkerung gebe es inzwischen einen tiefen Graben. Anders als die an ihren Sesseln klebenden Regierungsmitglieder fordere die Bevölkerung fast geschlossen den Abzug der Besatzungstruppen. c Man könne das vielleicht mit dem besetzten Frankreich im Zweiten Weltkrieg vergleichen. Natürlich gebe es Kollaborateure, aber die Mehrheit des Landes stehe auf der Seite des Widerstands, empfinde sich als Teil des Widerstands.
    »Auch die Schiiten?«, frage ich nach. Abu Saeed schaut mich etwas irritiert an. Die Unterscheidung zwischen Sunniten und Schiiten sei von den USA und Großbritannien hochgespielt worden. 5 Im Irak habe sich früher nie jemand dafür interessiert, ob man Sunnit oder Schiit sei. Selbst im überwiegend schiitischen Basra gebe es trotz der
mächtigen, vom Iran unterstützten Politikermilizen einen starken nationalen

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