Warum tötest du, Zaid?
Iraks stoße Al-Qaida auf immer größere Ablehnung in der Bevölkerung. Ihre irakischen Mitglieder liefen ihr in Scharen davon. Die totalitäre, menschenverachtende Ideologie dieser Terrororganisation sei den Irakern wesensfremd. »Die Iraker haben von Al-Qaida die Nase voll. Außerdem wollen wir unser Land selbst befreien. Wir brauchen dazu keine fanatisierten Ausländer.«
Abu Bassim erklärt, er wisse, dass diese Feuerpause auch
den US-Truppen Luft verschaffe. Aber die Sicherheit der von den amerikanischen Bombenangriffen und vom sinnlosen Morden der Al-Qaida-Terroristen völlig erschöpften Zivilbevölkerung von Ramadi sei diesen Preis letztlich wert gewesen.
Alle Freiheitsbewegungen der Welt hätten in ihrer Geschichte immer wieder derartige Feuerpausen eingelegt. Der Widerstand habe sich dadurch neu gruppieren und organisieren können. Widerstand sei nichts Gleichmäßiges, Regelmäßiges, Widerstand sei ein ständiges Auf und Ab. Die Amerikaner müssten das aus Vietnam eigentlich wissen.
Dass die US-Regierung diese Feuerpause der Weltpresse als großen Erfolg verkaufe, sei dem Widerstand gleichgültig, fährt Abu Bassim fort. »Wir wissen, dass das Pentagon ganze Pressedelegationen ins Zentrum von Ramadi einfliegt, um endlich Erfolge vorweisen zu können. Bis zur Präsidentschaftswahl Ende 2008 wird es vonseiten der US-Regierung keine fairen Analysen und keine zuverlässigen Zahlenangaben mehr geben.
Was das Pentagon den nach Ramadi eingeladenen Journalisten nicht zeigt, ist, dass die ›Vier-Kilometer-Zone‹, in der sie sich geschützt durch gepanzerte Humvees angeblich frei bewegen können, hermetisch von amerikanischen und irakischen Sicherheitskräften abgeriegelt ist. Um von außen durch diesen Sicherheitsring zu kommen, muss man sich an zahllosen Polizei- und Militärkontrollposten ausweisen. Dazu braucht man Stunden. Manchmal kommt man überhaupt nicht durch.
Aber diese Showveranstaltungen interessieren uns nicht: Wir werden die amerikanische Besatzung nie akzeptieren. Über drei Viertel der Iraker fordern den Abzug der US-Streitkräfte. Wir haben Zeit, die Amerikaner nicht. Wir haben die Engländer nach dem Ersten Weltkrieg auch viele
Jahre lang ertragen müssen. Die Amerikaner werden viel schneller gehen müssen, viel früher, als sie glauben.
Der irakische Widerstand ist überall und nirgendwo. Wir schlagen dann und dort zu, wo wir es für richtig halten. Das kann in Ramadi morgen sein oder in einem Jahr. Wir wissen, dass wir diesen Krieg gewinnen. Und die Amerikaner wissen, dass sie ihn verloren haben und dass sie gehen müssen. Irgendwann, vielleicht morgen, vielleicht übermorgen – Inshallah!«
Ich frage auch Abu Bassim, ob nicht auch Iraker an der grauenvollen terroristischen Gewalt mitschuldig seien, die die Welt fast jeden Abend auf den Fernsehbildschirmen sieht. Abu Bassim nickt. Es gebe in der Tat auch irakische Terroristen. »Bei Al-Qaida und bei den Milizen.«
Die Hälfte der Toten im Irak gehe allerdings direkt auf das Konto der Besatzung und ihrer Agenten. Das werde gerne verschwiegen. Er schätze, dass weitere 30 Prozent von den Milizen schiitischer Politiker verursacht seien, zwischen 5 und 10 Prozent von Al-Qaida und der Rest von den privaten »Sicherheitsdiensten« der USA und der außer Kontrolle geratenen allgemeinen Kriminalität im Irak. Genaue Zahlen hierzu könne niemand vorlegen. 23
Es gebe als Folge der Politik der Besatzer, des Terrorismus und des Leids, das sie geschaffen hätten, auch »ethnische Säuberungen«. Aus überwiegend schiitischen Gegenden würden Sunniten vertrieben und aus überwiegend sunnitischen Regionen Schiiten. Auch aus einigen Dörfern der Provinz Anbar seien durch Al-Qaida Schiiten vertrieben worden. Es gebe Dinge, auf die auch er als Iraker nicht stolz sei.
Aber er erlaube sich, darauf hinzuweisen, dass nach internationalem Recht die Besatzungstruppen für die Sicherheit der Bevölkerung verantwortlich seien. »Wir haben uns nicht selbst in diese katastrophale Lage gebracht. Die
USA sind rechtlich und moralisch für alle Opfer dieses Krieges und der Besatzung verantwortlich, nicht nur für die, die sie selbst getötet haben.«
Der größte Teil des Selbstmordterrorismus, den die Weltöffentlichkeit zu Recht so abscheulich finde, sei von außen gesteuert. Von der ausländischen Al-Qaida, vom Iran, aber auch von bezahlten Agenten der USA.
Er kenne zum Beispiel einen irakischen Übersetzer sehr gut, der lange für die US-Truppen, den
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