Warum tötest du, Zaid?
Tätern.« Dadurch habe das Pentagon praktisch ein Informationsmonopol. Nicht ein einziger Journalist habe in den letzten viereinhalb Jahren in Ramadi mit dem irakischen Widerstand gesprochen. Viele wüssten nicht einmal, dass es so etwas gebe, obwohl der irakische Widerstand neben den Amerikanern die stärkste militärische Kraft im Irak sei.
Oft glichen sich die »Frontberichte« der internationalen Presse über Ramadi bis ins letzte Detail. Viele Berichterstatter
übernähmen fast wörtlich die Sprachregelung der amerikanischen Presseoffiziere und schwärmten davon, dass sich die Versorgung der Bevölkerung mit Strom, Wasser und Benzin verbessert habe, obwohl das Gegenteil der Fall sei. Diese Journalisten hätten nie einige Tage in einer irakischen Familie verbracht. Sie beteten nur nach, was ihnen ihre amerikanischen Begleitoffiziere erzählt hätten. Aber auch diese Offiziere seien nie länger in einer irakischen Familie gewesen. Er könne über diese Art der Berichterstattung nur bitter lachen.
Die heile Welt, die das Pentagon den Medien vor allem in jüngster Zeit in einigen Städten des Irak vorspiele, gebe es nicht und werde es für lange Zeit auch nicht mehr geben. Dazu sei nicht nur in Ramadi, sondern im gesamten Irak zu viel Leid geschehen.
Ich erwidere Abu Bassim, dass ich seine Kritik zu pauschal fände. Ich hätte viele sachkundige und faire Artikel über den Irak gelesen – in der deutschen und in der amerikanischen Presse. Für mich seien »embedded journalists« in der Regel besonders mutige Berichterstatter. Sie riskierten für ihren Beruf Kopf und Kragen. Im Irak seien bisher fast zweihundert Journalisten ums Leben gekommen.
Aber insgeheim denke ich, dass ein Teil seiner Kritik berechtigt ist. Die Aussagen des Pentagon werden in der Tat von manchen Medien zu wenig hinterfragt. Und meine Art der Informationsbeschaffung, die er so begrüßt, wird mir zu Hause nur Schwierigkeiten bereiten.
Ich wechsle das Thema und frage ihn nach der militärischen Situation in Ramadi. Abu Bassim erklärt mir, Ramadi sei nach dem Fall von Falludscha, das 2004 in Grund und Boden gebombt worden sei, zum Zentrum des irakischen Widerstands geworden. Bis auf wenige Gegenden sei die Stadt weitgehend unter die Kontrolle des Widerstands gekommen. Die 450 000 Einwohner der Stadt hätten den Widerstand
von Anfang an geschlossen unterstützt. Der amerikanische General James Mattis habe einmal gesagt, wenn Ramadi falle, gehe die ganze Region zum Teufel. 19
Die Moral der amerikanischen Besatzungstruppen sei von Anfang an schlecht gewesen. Sein Stamm habe mehrfach amerikanischen Soldaten geholfen zu desertieren. Man habe sie über die Grenze nach Jordanien geschmuggelt. Die GIs hätten durchschnittlich 600 Dollar bezahlt, nur um aus dem Irak rauszukommen. Zusätzlich hätten sie ihre Waffen und Uniformen abgeben müssen. Aber das hätten sie gerne getan. Im Gegenzug hätten sie eine irakische Dishdasha erhalten.
Er selbst, Abu Bassim, habe fünf amerikanischen Soldaten zur Flucht verholfen. Sie seien abends in ihren Humvees zu einem vereinbarten Treffpunkt gekommen. Dort seien sie ausgestiegen, hätten sich umgezogen und ihre Waffen und 600 Dollar übergeben. In der Nacht habe man sie dann nach Jordanien geschleust.
Am nächsten Morgen hätten Hubschrauber mehrfach die Humvees überflogen. Da es der Besatzung nicht gelungen sei, Kontakt mit den GIs aufzunehmen, hätten sie die Humvees durch Bomben zerstört.
Wie grauenvoll dieser Irrsinnskrieg von vielen GIs empfunden werde, zeige sich auch an der überdurchschnittlich hohen Zahl der Selbstmorde amerikanischer Kriegsheimkehrer 20 , über die in den amerikanischen und arabischen Medien immer wieder berichtet werde. Diese Zahl sei deutlich höher als die der im Irak gefallenen amerikanischen Soldaten.
Um Ramadi habe es über zweieinhalb Jahre lang schwere Kämpfe gegeben. Im Juni 2006 seien mehrere groß angelegte amerikanische Offensiven gestartet worden. Die Amerikaner hätten Hunderte von Häusern gestürmt, um sie, wie sie sagten, zu »säubern« und »Aufständische und
Terroristen« gefangen zu nehmen. Sie seien unvorstellbar brutal vorgegangen. Die Türen hätten sie häufig mit Granaten gesprengt. Monatelang sei es in Ramadi zu heftigen Straßenkämpfen gekommen.
Die Stadt sei auch mehrfach bombardiert worden. Teile der Innenstadt hätten zeitweise ausgesehen wie Beirut nach dem Bürgerkrieg. Bei Luftangriffen im November 2006 beispielsweise seien zahllose
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