Warum tötest du, Zaid?
US-Geheimdienst und für Blackwater gearbeitet habe. Irgendwann sei es zu einem Zerwürfnis gekommen, und beide Seiten hätten das Vertrauen zueinander verloren. Eines Tages habe ihn trotzdem überraschend ein Mittelsmann der Amerikaner gebeten, mit einem Dienstwagen nach Kirkuk zu fahren. Dort solle er in der Nähe des Marktplatzes einen irakischen Verbindungsmann treffen. Sobald er an dem Marktplatz angekommen sei, solle er von seinem Handy aus eine bestimmte Nummer anrufen. Man werde ihm dann weitere Instruktionen geben.
Zufrieden, trotz des Zerwürfnisses wieder einen Auftrag erhalten zu haben, sei der Übersetzer losgefahren. Unterwegs sei ihm die Sache mit dem Rückruf vom Marktplatz aber seltsam vorgekommen. In Kirkuk habe er daher das Auto auf einem leeren Bauplatz abgestellt. Dann habe er aus einigen hundert Metern Entfernung die angegebene Dienstnummer gewählt.
Im gleichen Augenblick, in dem er auf die grüne Anruftaste gedrückt habe, sei das Auto in die Luft geflogen. Eine gewaltige Feuer- und Rauchwolke sei über dem Explosionsort aufgestiegen. Hätte er sich, wie verabredet, von dem belebten Marktplatz aus gemeldet, wären er und zahllose unschuldige Menschen getötet worden.
Wieder hätte es dann in den Medien geheißen, ein irakischer Selbstmordattentäter habe sich auf einem Marktplatz
in die Luft gesprengt. Und die Spirale des Hasses zwischen den einzelnen Bevölkerungsgruppen hätte sich erneut ein Stück weitergedreht. Der Dolmetscher habe sich nie wieder bei seinen Arbeitgebern gemeldet. Er arbeite heute im Widerstand – unter seinem Kommando.
In dem Raum herrscht atemlose Stille. Auch Zaid starrt gebannt auf Abu Bassim. Er kannte bisher niemanden aus der Führung des Widerstands der Provinz Anbar. Auch für mich ist es erstaunlich, dass Abu Saeed ihn zu diesem Treffen mitgenommen hat.
In einem Nebenraum haben Frauen, die ich nicht zu sehen bekomme, das Abendessen bereitet. Es gibt gegrillten Karpfen, so wie ich ihn vor dem Krieg in Bagdad am Ufer des Tigris so gerne gegessen habe. Dazu Kebab, gebratenes Hühnchen, viel Gemüse sowie köstliche Wasser-und Honigmelonen.
Wie in fast allen muslimischen Ländern wird auch im Irak mit bloßen Händen aus Gemeinschaftsschüsseln gegessen. Abu Saeed sucht mir immer wieder besonders verlockende Fisch- und Hühnchenteile aus und hält sie mir – wie ein Bruder – mit seiner rechten Hand vor den Mund. Ich kann mich an diese Form der Fütterung nicht richtig gewöhnen und bitte Abu Saeed daher stets, die Leckerbissen auf meinen Teller zu legen. Dann decke ich diese unauffällig mit einem Brotfladen zu, in der Hoffnung, dass es keiner merkt.
Nach dem Essen wird das Nachtgebet verrichtet und anschließend endlos weiterdiskutiert. Wie die Haltung der europäischen Regierungen zum Widerstand sei, werde ich gefragt. Aber ich weiß es nicht – die europäischen Regierungen wahrscheinlich auch nicht. Abu Bassim erklärt mir, der Widerstand würde gerne mit den europäischen Regierungen Kontakt aufnehmen, um eine faire Friedenslösung für den Irak zu sondieren. Die oberste Führung des nationalistischen
Widerstands, die offenbar von meinem Besuch weiß, habe ihn ausdrücklich um Weiterleitung dieses Wunsches gebeten.
Ich frage den Sunniten Abu Bassim, ob er nach dem Abzug der Amerikaner eine von einem Schiiten geführte Regierung akzeptieren würde, in der – der vermutlichen Bevölkerungsstruktur entsprechend – zwei Drittel des Kabinetts und des Parlaments schiitisch seien.
Abu Bassim schaut mich verdutzt an: Ob denn auch in Deutschland und in den USA die Regierungsämter und Parlamentssitze nach Konfessionen verteilt würden? Das sei doch mittelalterlicher Unsinn. Ich übernähme damit ja fast wörtlich die Argumentation der Amerikaner, die doch gerade zu dem schrecklichen Chaos im Irak geführt habe.
Ich weiß, dass er nicht ganz unrecht hat, frage aber trotzdem noch einmal nach: Was wäre, wenn nach dem Rückzug der US-Truppen freie Wahlen, aus welchen Gründen auch immer, zu einer haushohen schiitischen Mehrheit führten?
»Wenn diese schiitische Regierung ehrenhaft, patriotisch und frei gewählt ist, werden wir sie selbstverständlich akzeptieren. « Daran könne doch gar kein Zweifel bestehen. Die Männer in der Runde nicken zustimmend.
Eines der Probleme der augenblicklichen Regierung sei allerdings – merkt einer von ihnen an –, dass ein relativ hoher Prozentsatz ihrer Mitglieder auch iranische Pässe habe. »Wir wollen keine
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