Was allein das Herz erkennt (German Edition)
eigenen Rosengarten bekommen, genau wie in Black Hall. Die Blütezeit war hier einen Monat später als in Connecticut, so dass die meisten Büsche, die er aussuchte, voller Knospen waren.
Kylie hatte ihn begleitet. Während Martin sechzig Rosenbüsche auf die Ladefläche hievte, spielte Kylie mit einem alten Basset, der im Schatten lag.
»Vorsichtig, er beißt!«, rief der Besitzer der Baumschule, Jean-Pierre Heckler.
»Mich beißt er nicht.«
»Mich schon«, sagte Jean-Pierre und deutete auf seinen Fuß. »Gestern Abend hat er derart gestunken, dass ich ihn vor die Tür setzen musste. Und da hat er meinen Fuß gepackt –«
»Wieso hältst du dir einen Hund, der beißt?«, fragte Martin. Der Basset war an einen Zaunpfahl gebunden und lag in einer Kuhle, die er sich gescharrt hatte, das Gesicht in die für seine Rasse typischen Kummerfalten gelegt. Sein Fell war weiß um Augen und Schnauze, und seine lange Zunge hing bis auf die Erde, wenn er hechelte.
»Er gehörte früher Annes Vater«, sagte Jean-Pierre. Martin war mit Hecklers Frau, vormals Anne Duprée, zur Schule gegangen und erinnerte sich vage, dass der Vater eine kleine Farm auf der Südwestseite des See gehabt hatte.
»Ist Mr. Duprée gestorben?«
»Ja, letzten Winter. Wir haben die Farm verkauft, aber natürlich wollten die neuen Besitzer keinen alten, bissigen Hund übernehmen. Ich kann ihn auch nicht brauchen: ist schlecht fürs Geschäft, wenn er die Kunden anknurrt.«
»Armer alter Hund.« Kylie versuchte, Martins Hand abzuschütteln. Er konnte zwar nicht glauben, dass der Basset mit seinen treuherzigen Augen jemanden biss, aber er wollte lieber kein Risiko eingehen.
»Was bin ich schuldig?« Martin zückte seine Brieftasche.
»Ich gebe dir zehn Prozent Rabatt«, sagte Jean-Pierre. »Schließlich hast du Lac Vert große Ehre gemacht. Anne ist stolz auf dich. Nächstes Jahr setzt du noch eins drauf und gewinnst den Stanley Cup, da bin ich mir sicher.«
»Nächstes Jahr!«, sagte Martin und ließ Kylie los, um das Geld herauszuholen.
Prompt streckte sie den Arm nach dem Hund aus, und der Basset leckte ihr die Hand. Der Baumschulen-Besitzer packte den Strick und riss ihn zurück. »Fehlt nur noch, dass der verdammte Köter deine Kleine beißt.«
»Er beißt mich nicht«, wiederholte Kylie beharrlich.
»Er ist alt. Zu alt. Der Tierarzt muss bald kommen, wenn du weißt, was ich meine.« Martin spürte, wie das Blut in seinen Adern erstarrte.
»Sie meinen, Sie lassen ihn einschläfern?«, fragte Kylie.
»Er hat Arthritis, verfaulte Zähne und ist dauernd krank«, sagte Jean-Pierre Heckler. »Für ihn ist es so am besten.«
»Können wir ihn nehmen?«, fragte Kylie.
»Der Hund ist nichts für dich«, antwortete Jean-Pierre. »Glaub mir. Wenn du ein nettes Haustier haben möchtest, schenke ich dir ein kleines Kätzchen. Unsere große getigerte Katze hat gerade Junge bekommen –«
Martin sah, wie Kylie vorsichtig auf den Basset zuging. Er konnte den fauligen Atem des Tieres schon von weitem riechen. Kylie streckte die Hand aus und der Hund verdrehte den Hals, um sich von ihr den Kopf tätscheln zu lassen. Er rollte sich auf den Rücken wie ein verspielter Welpe, und Martin hörte sich fragen: »Wie heißt der Hund?«
»Thunder.«
»Hallo Thunder«, sagte Kylie.
»Die Kätzchen –«
»Sie will Thunder.« Martin sah, wie der alte Hund Kylies Hand ableckte. Kylie lachte und streichelte seine langen Ohren.
»Er ist nicht stubenrein«, sagte Jean-Pierre leise, so dass Kylie ihn nicht hören konnte. »Kann die Blase nicht mehr kontrollieren, macht überall hin, im Haus. Wir haben ihn draußen schlafen lassen und da jault er die ganze Nacht. Er war auf sein Herrchen fixiert und ist nach seinem Tod bösartig geworden. Glaub mir, Martin, lass den Tierarzt seine Arbeit verrichten. Das ist für alle das Beste.«
Martins Gedanken schweiften zurück. Eines Tages war Genny mit Natalie und ihren Kindern ins Tierheim von Lac Vert gefahren, das hinter dem städtischen Parkhaus an der Mountain Road lag. Die Gardners hatten einen jungen Schäferhund adoptiert und Natalie hatte einen Beagle in ihr Herz geschlossen, der ausgesetzt worden war. Sie hatte der Leiterin des Heims gesagt, sie werde noch vor dem Wochenende mit ihrem Vater kommen, um ihn abzuholen.
Sie hatte Martin angefleht, den Hund aus dem Heim zu holen. Sie würden ihn gemeinsam abrichten und er sollte Martin Gesellschaft leisten, wenn sie nach Kalifornien zurück musste. Martin hatte
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