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Was allein das Herz erkennt (German Edition)

Was allein das Herz erkennt (German Edition)

Titel: Was allein das Herz erkennt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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offenbarte jede Narbe, jeden Muskel, seinen flachen Bauch. Er ging zum Ufer hinab und stand einen Moment reglos da.
    Dann machte er einen Kopfsprung in den See, schwamm zu ihr heraus. Konnte man von Nacktbaden sprechen, wenn sie Unterwäsche trugen? Sie breitete die Arme aus. Er packte sie so wild, dass es ihr den Atem verschlug.
    »Ich dachte schon, dir sei etwas passiert«, sagte er, den Mund an ihrem Hals. »Ich sah nur die Kleider und den Hund, aber von dir keine Spur.«
    »Ich wollte dich nicht ängstigen«, sagte sie, verdutzt über die Heftigkeit in seiner Stimme. »Aber Thunder war im Morast stecken geblieben und nachdem ich ihn befreit hatte und ohnehin schon nass war, beschloss ich, eine Runde schwimmen zu gehen.«
    Martin nickte. Er bewegte den Kopf, dann ließ er sie los und sah sie an, Wasser tretend. Ihre Gesichter waren nahe beieinander, sie schwammen im Sonnenlicht. Sie versuchte, seinen Blick zu deuten: Sie erkannte Verwirrung und Erleichterung darin, und etwas anderes.
    »Du konntest mich nicht sehen?«, fragte sie.
    »Nein.«
    »Aber ich war genau hier.« Sie waren nicht weiter als fünfzehn Meter vom Ufer entfernt, also leicht von dort auszumachen.
    »Die Sonne hat mich geblendet.«
    Sie nickte und fühlte sich auf seltsame Art erleichtert. Aber was hatte sie befürchtet? An der Stelle, an der sie schwammen, war das Licht so grell, dass sie die Augen zusammenkneifen und den Blick abwenden musste. Ihre nackten Beine berührten sich und May glitt in seine Arme. Sie küssten sich, tauchten dabei unter. Als sie wieder an die Oberfläche kamen, hörten sie Thunder bellen. Er stieß ein langes freudiges Fiepen aus und Martin flüsterte May ins Ohr: »Er ist froh, dass er lebt.«
    Als sie sich küssten, verschwand die Sonne hinter einer hohen Kiefer und tauchte den See für kurze Zeit in Schatten. May schmiegte sich zitternd an ihren Mann, bis die Sonne sich wieder ihre Bahn brach.
    Thunder begrüßte ihre Rückkehr mit Gebell. Martin und May hielten inne und blickten zu ihm hinüber. Er war die Stufen zum Pavillon hinaufgetappt und drehte sich einmal um die eigene Achse, bevor er sich nach dem anstrengenden Bad auf dem Haufen sauberer Kleider zu einem Schläfchen niederließ.
    »Er ist in Schwierigkeiten«, sagte May.
    »Weswegen?«
    May sah ihren Mann an. Lächelnd blickte er in die Richtung, aus der das inbrünstige Gebell des alten Hundes erklang, seine Augen waren starr auf den Pavillon gerichtet. Plötzlich wurde ihr trotz der Sonne eiskalt und sie dachte an den fatalen Ausgang des letzten Spieles.
    Martin konnte nichts sehen.

20
    I m Garten, mit Blick auf den See und die Berge, standen zwei alte weiße Stühle. Die Kissen, vom Zahn der Zeit und von der Witterung verschlissen, waren früher einmal dunkelblau gewesen. May deckte den niedrigen Tisch mit Brötchen, Butter, Weintrauben, einem Krug mit Saft, und Kaffee. Nachdem er sich in der Außendusche das Seewasser abgespült hatte, nahm Martin neben ihr Platz, um mit ihr am See zu frühstücken.
    Während sie aßen, blickte Martin starr auf den See hinaus. Ein Reiher fischte in dem seichten Wasser, stolzierte auf seinen gelben streichholzdünnen Beinen durch das hohe Schilf. Ein einsamer Elch stand inmitten der schwimmenden Seerosenblätter, sein Geweih schimmerte in der Sonne. Als May stumm auf ihn deutete und Martin nicht reagierte, wurde ihr Herz schwer.
    »Ich mache mir Sorgen wegen deiner Augen.«
    »Warum?«
    »Weil du manche Dinge nicht siehst.«
    »Zum Beispiel?«
    »Zum Beispiel Thunder, der es sich den ganzen Morgen auf unseren Kleidern bequem gemacht hat. Oder den Elch.«
    »Ich sehe ihn.«
    »Bist du sicher?«
    »May.« Er berührte ihren Arm. »Ich bin nicht mehr so jung wie früher. Ich hatte ein paar schlimme Kopfverletzungen. Irgendwann wird auch der Tag kommen, wo ich eine Brille brauche. Aber das bedeutet das Aus für einen Eishockeyspieler, und damit kann und will ich mich jetzt noch nicht auseinander setzen.«
    »Hast du mit dem Mannschaftsarzt gesprochen?«
    Er nickte. »Glaubst du, die würden mich mit irgendeinem körperlichen Gebrechen aufs Spielfeld lassen? Beim ersten Anzeichen einer Krankheit schicken sie mich zum Röntgen. Ich brauche nur eine kleine Ruhepause im Sommer, um meine Verletzungen auszukurieren. Es ist herrlich hier. Wir sind zusammen, haben ein paar Stunden für uns. Genieß es einfach. Einverstanden?«
    »Einverstanden.« Wenig überzeugt, biss May in ihr Brötchen. Ihr war der Appetit vergangen und

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