Was bin ich wert
Absage. Sie haben ethische Bedenken. Ich hole tief Luft, frage noch mal, erkläre zum zweiten Mal, worum es mir geht, und bekomme etwas später einen Anruf von Stefan Rüssli, dem Brand Valuation Director for Central and Eastern Europe. Sein Büro ist in der Schweiz, in der nächsten Woche sei er aber in Hamburg.
Da treffen wir uns in einem eleganten Konferenzzimmer in der Innenstadt. Rüssli ist um die 40 Jahre alt und eher klein. Weißes Hemd, grauer Anzug, rotes Einstecktuch, keine Krawatte. Die Haare so kurz wie die Bartstoppeln am Kinn. Ein eher nachdenklicher Typ, kein Lautsprecher.
– Wie berechnet man den Markenwert eines Menschen?
– Spannende Frage. Da sind verschiedene Ansätze möglich.
Prima.
– Uns geht es dabei in der Regel um Unternehmen.
Mit »uns« oder »wir« meint Rüssli sich und seinen Arbeitgeber interbrand.
– Da ist die Marke das Gesicht beziehungsweise die Persönlichkeit eines Unternehmens oder eines Produkts. Sie schafft Identifikation, Orientierung und Vertrauen. Das kann man aber auch über Menschen sagen. Es geht dann um die Frage, welchen ökonomischen Nutzen, also welche Nachfragedynamik der Einsatz der Marke Mensch schafft?
Rüssli nennt als Beispiel Roger Federer. Weltbester Tennisspieler, internationale Sportlegende und – welch ein Zufall – wie Rüssli Schweizer. Dazu oder deswegen hat Federer einen monetarisierbaren Markenwert. Wenn Nike mit ihm einen hochdotierten Vertrag – Schweizer Zeitungen sprachen von etwa 85 Millionen Euro – abschließt, dann geht Nike natürlich davon aus, daß man aufgrund dieser Investition mehr Produkte verkaufen kann. Und dieser Mehrverkauf gibt, so Rüssli, einen deutlichen Hinweis auf Federers Markenwert. Dazu kommt dann die Marktforschung, denn Nike müsse seine Kunden verstehen und wissen, wie sich der Käufer für ein Produkt entscheidet. Es geht darum, herauszufinden, welchen Einfluss Federer auf das Image von Nike haben könnte und wie sich das wiederum auf den Umsatz auswirken würde.
– Und dieser prognostizierte Mehrverkauf ist dann Federers Markenwert?
– Nicht ganz. Weil, und das ist der zweite Punkt, Federer durch seine Erfolge zusätzlich einen Marktpreis hat, der erst mal unabhängig von dem ist, was er einbringt. Bei den Vertragsverhandlungen wird so was dann abgewogen und knallhart kalkuliert.
– Kann man Federers Markenwert unabhängig von so einer Nike-Geschichte bemessen?
Rüssli schüttelt den Kopf.
– Nein, eigentlich nicht. Es gibt zwar solche Versuche. Aber wir sind da sehr skeptisch, weil das immer fallspezifische Werte sind.
Eine, wenn nicht die entscheidende Rolle spielt der Bekanntheitsgrad. Wenn durch eine Persönlichkeit mehr Menschen angesprochen werden, ist sie auch wertvoller. Aber auch Wiedererkennbarkeit, Beliebtheit und vor allem Glaubwürdigkeit sind, so Rüssli, enorm wichtig. Er nennt Britney Spears als Negativ-Beispiel. Ihre Skandale hätten ihren Markenwert fast ruiniert. Mittlerweile habe ihr Markenmanagement das aber erfolgreich umsteuern können. Ihr Wert steige wieder.
– Wenn Tennis mal out wäre, und Federer hat sich noch nicht vom reinen Tennisstar zur Celebrity entwickelt, dann wäre der Markenwert at risk. Für ihn beziehungsweise seinen Markenwert ist es wichtig, daß er sich weiterentwickelt, daß er nach dem Ende seiner sportlichen Karriere an andere Themen anknüpft, sich etwa bei Stiftungen oder im Charity- Bereich engagiert. Er muß den nächsten Schritt machen, vom reinen Tennisstar zur abgerundeten Persönlichkeit.
– Soziales Engagement als Imagetransfer zur Entwicklung der eigenen Marke?
Rüssli nickt.
– Unbedingt. Einen Markenwert gibt es ja nicht nur aus der Monetarisierungsperspektive, sondern auch auf einer psychologischen Ebene.
Eine Marke kann eine hohe Akzeptanz, Beliebtheit und Attraktivität besitzen, ohne daß das mit einem Vermarktungspotential verknüpft ist. Rüssli nennt als Beispiel den Papst. Der sei eine starke Marke, aus der sich aber kein finanzieller Nutzen ableiten ließe. Die Weihwasser-Industrie, denke ich, würde das aber eventuell sehr begrüßen.
– Die Frage nach dem Markenwert von Personen ist auch deswegen sehr interessant, weil viele starke Marken den Ursprung in einer Persönlichkeit haben. Nehmen Sie McDonald’s.
Mit meinem strikten Veto gegen diese Form von Ernährung mache ich mich in meiner Familie regelmäßig unbeliebt. Aber die Brüder Richard und Maurice
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