Was bin ich wert
faszinierend.
– Heißt das: 6,9 Milliarden Menschen gleich 6,9 Milliarden Marken?
– Im Grunde ja. Natürlich abhängig vom Kontext. Aber Differenzierung heißt »anders sein«. Und weil jeder anders ist, hat er grundsätzlich das Potential für einen Markenwert. Es kommt dann aber auf die entsprechende Zielgruppe an. Grundsätzlich ist das monetäre Potential für jeden vorhanden.
– Könnten wir das für mich mal ausrechnen?
Rüssli schaut bedauernd auf mich, dann auf seine Uhr.
– Das ist nur in einer konkreten Situation möglich.
Eine konkrete Situation kann ich nicht bieten. So endet das Gespräch mit der theoretischen Erkenntnis, daß ich einen potentiellen Markenwert habe, der sich aber leider nicht monetarisieren läßt.
Später lese ich noch von einer Marktforschungsstudie aus den USA , die behauptet, daß ein durchschnittlicher Facebook-Fan für werbetreibende Unternehmen 103 Euro wert sein soll. Vor allem weil er für ein Unternehmen, das er als Favorit gespeichert hat, neue Kunden gewinnt. Doch auch diesen Wert kann ich nicht für mich in Anspruch nehmen: Ich bin nicht bei Facebook.
18.
2 , 40 Dollar für einen Toten pro verkauftes Auto. Was darf Sicherheit kosten? Und wie man sich dabei auch mal verrechnen kann
Am 1. Juni 2009 stürzte ein Airbus A 330 der Air France auf dem Flug AF 447 von Brasilien nach Frankreich mit 228 Menschen in den Atlantik. Nach dem »Montrealer Abkommen über die Haftung von Fluggesellschaften« aus dem Jahr 1999 (der Novellierung des entsprechenden »Warschauer Abkommens« von 1929) sind Luftfahrtunternehmen verpflichtet, »den Schaden zu ersetzen, der dadurch entsteht, daß ein Reisender getötet oder körperlich verletzt wird«. Bis zu etwa 100 000 Euro müssen bezahlt werden, egal ob die Fluggesellschaft an dem Unfall eine Schuld trägt oder nicht. Die Höhe der Summe »entspringt einem politischen Kompromiß im Rahmen der völkerrechtlichen Verhandlungen«, wie mir das Bundesjustizministerium auf Anfrage mitteilt. Bei bewiesener Verantwortung ist die zu ersetzende Schadenshöhe unbegrenzt. Dabei fallen die Entschädigungen für die Opfer unterschiedlich hoch aus, da sie sich, wie in anderen Versicherungsfällen auch, nach den Versorgungsansprüchen etc. der Hinterbliebenen richten. Es gelten jeweils die Maßstäbe des Landes, in dem das Opfer lebte, wobei es aufgrund der schon erläuterten unterschiedlichen Rechtssysteme zu eklatanten Unterschieden kommen kann.
So wurde Air France bei den ersten Entschädigungsprozessen 2010 in Rio de Janeiro zur Zahlung von 840 000 Euro an die Hinterbliebenen einer brasilianischen Staatsanwältin verurteilt, während ein Gericht in Frankreich den Angehörigen einer französischen Stewardess 20 000 Euro zusprach.
Nach dem Absturz der Air-France-Maschine wurde deutlich, daß defekte Geschwindigkeitsmesser für den Absturz zumindest mitverantwortlich waren. Das französische Gericht erkannte im oben erwähnten Prozess den Tatbestand der fahrlässigen Tötung. Der Hersteller Airbus hatte die Fluggesellschaft schon zweieinhalb Jahre zuvor über entsprechende Probleme informiert. Der Empfehlung, die Sensoren auszutauschen, war Air France bei dem betroffenen Flugzeugtyp jedoch nicht gefolgt. Auch ein spezielles Sicherheitsprogramm, das pro Maschine 300 000 Euro gekostet hätte, wollte die Gesellschaft nicht haben. All das führte zu der Spekulation, Air France habe möglicherweise aus Kostengründen auf eine entsprechende Umrüstung verzichtet und damit letztlich den Tod von 228 Menschen in Kauf genommen.
Ein schrecklicher Verdacht, den die Gesellschaft mit dem Hinweis zu entkräften versuchte, Airbus habe die Austausch-Empfehlung später wieder zurückgenommen, dennoch habe man schon vor dem Unglück beschlossen, die entsprechenden Sensoren auszutauschen. Knapp zwei Monate nach dem Unglück forderte dann auch Airbus auf Empfehlung der Euro-päischen Agentur für Flugsicherheit ( EASA ) wieder den Austausch der Sonden. Ich möchte Air France beziehungsweise Airbus hier nicht unterstellen, daß sie aus Kostengründen Sicherheitsaspekte vernachlässigt haben. Ich gehe lieber davon aus, daß es ihnen in erster Linie um das Wohl ihrer Kunden geht und wirtschaftliche Aspekte bei Sicherheitsfragen keine Rolle spielen.
Daß diese Annahme jedoch nicht immer richtig sein muß, zeigt ein Gerichtsverfahren in Kalifornien, das im Jahr 1999 mit einem spektakulären Sieg der klagenden Unfallopfer endete. Am
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