Was bin ich wert
Wüstenratte, die ihren Urin wesentlich besser konzentrieren kann. Oder bei der Fortpflanzung so einen Ziegenbock, der mehrmals am Tag erfolgreich abspritzen kann und eine ganze Herde um sich hat. Entscheidend ist nur unser Gehirn. Wir sind die einzige Spezies, die sich selbst erkennen kann.
– Gleich werde ich mir zum ersten Mal eine Ihrer Ausstellungen anschauen. Was wollen Sie mir oder auch den anderen Besuchern vermitteln?
Er überlegt.
– Selbsterkenntnis, die stärker macht. Es berührt mich, wenn ich Menschen in meinen Ausstellungen weinen sehe. Wie zum Beispiel eine Japanerin, die mir dankbar schluchzend um den Hals fiel und mir sagte, sie habe schon drei Mal versucht, sich umzubringen, und sei sich jetzt zum ersten Mal ihres Wertes bewußt geworden.
Fünf Minuten nachdem ich mich von ihm verabschiedet habe, stehe ich vor meiner ersten Körperwelten-Leiche. Sieht komisch aus. Irgendwie nach Plastik. Ich, der vor jedem Horrorfilm flüchtet, bin nicht sonderlich berührt. Vielleicht ist es Selbstschutz. Obwohl, es ist interessant, die einzelnen offengelegten Muskelstränge beobachten zu können, die Überraschung, wie groß eine Leber wirklich ist. Das Ganze ist unter dem Motto »Der Zyklus des Lebens« mit Sinnsprüchen garniert, Appellen an ein bewußtes, gesundes Leben. Der Körperals »persönliche Aufgabe«, als »Ergebnis eigener Lebensführung«.
Dazu Zitate von Kant – »Daß der Mensch in seiner Vorstellung das Ich haben kann, erhebt ihn unendlich über alle anderen auf Erden lebenden Wesen.«, Goethe, Foucault und auch von Hagens: »Je älter ich werde, um so mehr empfinde ich das Leben als große Ausnahme von der Regel des Todes.«
Im Februar 2011 ernennt Hagens einen Nachfolger und verabschiedet sich in den Ruhestand. Er leidet an der Parkinson-Krankheit.
Auf dem Heimweg überschlage ich, was ich nach Hagens Ansatz wert wäre. Ich gehe von einem Jahreseinkommen über 50 000 Euro aus. Wenn ich bis 70 weitermache, wäre das eine Restlebensarbeitszeit von 24 Jahren. Insgesamt also 1 200 000 Euro. Nun, ich habe schon schlimmere Zahlen bekommen. Allerdings – arbeiten bis zum 70. Lebensjahr? Kann ich das? Will ich das? Ich bin mir nicht sicher.
Und wie war das mit dem Markenwert von Personen?
17.
Mensch als Marke. Und warum auch ich einen Markenwert haben kann
Der Begriff »Markenwert« bezeichnet den monetären Wert einer Marke. »Positive Assoziationen, die bei den Konsumenten mit einem Markenzeichen verbunden sind«, ermöglichen es einem Unternehmen, mehr Geld mit einem Produkt zu verdienen.
Um diese tollen Assoziationen hervorzulocken, werben viele Unternehmen mit bekannten Persönlichkeiten. Dabei handelt es sich um eine Art Imagetransfer: Gummibärchen werden so sympathisch wie Thomas Gottschalk. Oder auch nicht. Die Preisspanne der Honorare ist enorm. Sie reicht von etwa 50 000 Euro für die sogenannte C -Prominenz, die sich vorwiegend aus Casting-Shows rekrutiert, bis zu an die 100 Millionen Pfund, die David Beckham von adidas bekommen haben soll, was aber offiziell nie bestätigt wurde.
Demnach haben also nicht nur Firmen, sondern auch Prominente einen Markenwert. BBDO , eine US -amerikanische Werbeagentur mit Vertretungen in fast 80 Ländern, hat vor ein paar Jahren versucht, entsprechende Ranglisten zu etablieren. Bei den Fotomodellen führte im Jahr 2005 Karolina Kurková mit 42,6 Millionen Euro vor Julia Stegner mit 36,5 Millionen und Heidi Klum mit 28,3. Bei den Fußballern führte im Jahr 2006 Ronaldinho mit 47 Millionen Euro vor David Beckham mit 44,9 Millionen. Der Markenwert ist dabei nach Auskunft von BBDO auf »künftig erwartete Einkommensströme ausgerichtet« und basiert vor allem auf »wissenschaftlichen Werten« wie Markenbekanntheit, Markenimage, Markensympathie und Markenloyalität.
Aktuellere Listen gibt es nicht. Der Ansatz hat sich nicht durchgesetzt. Kein Wunder, schon bei einem Unternehmen ist es schwierig, den Markenwert exakt in Geld auszudrücken. In der Praxis gibt es über 500 verschiedene, oft sehr komplexe Rechenmodelle. Je nach Ansatz beträgt der Markenwert zumBeispiel von Coca-Cola 0,2 oder auch 64 Milliarden Dollar. Das 1988 entwickelte Verfahren der Firma interbrand hat sich weltweit offensichtlich am besten behauptet. Einmal im Jahr kursiert in den Medien die entsprechende Rangliste der wertvollsten Marken der Welt.
Und was ist mit mir? Ich bitte bei der Agentur interbrand um einen Termin.
Zuerst bekomme ich eine
Weitere Kostenlose Bücher