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Was bin ich wert

Was bin ich wert

Titel: Was bin ich wert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joern Klare
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Aufbereitung und Lagerung. Mit seiner eigenen Leiche hat er große Pläne.
    –   Ich wünsche mir, daß mein Körper 2000 bis 3000 Jahre ausgestellt werden kann. Und durch entsprechende Vorsorge kann ich meinen postmortalen Wert steigern. Ich bin nach meinem Tod auch nicht plötzlich »null« wert. Wenn ich genügend Ausstrahlung und Fans habe, besitze ich auch einen Markenwert.
    Markenwert? Das klingt spannend. Wie hoch ist eigentlich mein Markenwert? Oder wie könnte ich einen bekommen? Ich mache mir eine kleine Notiz und widme mich der nächsten Frage.
    –   Haben Sie durch Ihre Arbeit einen anderen Blick auf den Wert des Menschen? Vielleicht weniger Illusionen?
    Die Antwort kommt schnell.
    –   Ich mache mir nichts vor. Ich bin mir meines Wertes und auch des Wertes der mir gespendeten Körper bewußt. Illusionen sind für mich wirtschaftlich gefährlich. Das ist natürlich ein Denktabu. Man redet nicht über Leichen, nicht über seinen Tod und auch nicht über seinen Wert. Alle denken, sie wären sehr viel wert. Wieviel genau, läßt man lieber unter den Tisch fallen. Und dann wundert man sich. Der Mensch lebt ja von seinen Illusionen. Ich betrachte das nüchtern, auch weil ich selbst mal verkauft wurde. Für 40   000 D -Mark.
    –   Sie wurden für 40   000 D -Mark verkauft?
    –   Die Bundesrepublik hat mich der DDR abgekauft. 35   000 Häftlinge waren das damals insgesamt. Mein Preis soll 40   000 D -Mark betragen haben, so sagte man es mir zumindest.
    Von Hagens macht eine kleine Pause. Der Freikauf politischer Gefangener aus den Gefängnissen der DDR begann 1962. Auf eine Initiative der Evangelischen Kirche hin wurden 15 Kirchenmitarbeiter gegen eine Wagenladung Kali ausgelöst. 1963 zahlte die BRD für acht Häftlinge 340   000 Mark in bar. Ein Jahr später wurden die Geschäfte im größeren Stil abgewickelt. Der Preis pro Häftling lag bei 40   000 Mark, die in der Regel in Waren – von Südfrüchten über Kaffee bis hin zu Erdöl – gezahlt wurden. In Ausnahmefällen lag die Summe aber auch deutlich höher. Der damals beteiligte Staatssekretär Ludwig Rehlinger berichtet von insgesamt 450   000 Mark, die für einen Fluchthelfer aus wohlhabender Familie gezahlt worden seien, wobei die ursprüngliche Forderung der DDR bei zwei Millionen Mark gelegen haben soll. Die Differenz zum Grundpreis, also 410   000 Mark, bezahlte der Vater des jungen Mannes. 1977 erhöhte die DDR den Preis pro Häftling auf 95 847 Mark. Bis um Dezember 1989 kassierte die DDR in 26 Jahren insgesamt 3   436   900   755 Mark für 33   755 Gefangene, im Schnitt also 101   801 – gut 52   000 Euro pro Häftling.
    –   Das hat mich damals sehr beschäftigt und auch verletzt. Ich konnte nachempfinden, wie sich diese zigtausend Soldaten gefühlt haben müssen, die von den deutschen Kleinstaaten, vor allem aus Hessen-Kassel, in den Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg verkauft wurden. Aber ich war der Bundesrepublik auch dankbar, daß sie diese 40   000 Mark für mich ausgegeben hat.
    –   Wie kamen die denn Ihrer Meinung nach auf die Summe von 40   000 Mark?
    –   Ich denke, es ging um Ausbildungskosten und den Schaden, den ich angerichtet haben soll.
    Plötzlich – seine Stimme stockt. Er macht eine Pause.
    –   Ich hab mich später oft gefragt, wie die einfach ihre Leute verkaufen konnten.
    Seine Augen sind feucht. Wieder eine Pause.
    –   Aber ich bin glücklich. Und dankbar. Indem sie uns gekauft haben, haben sie uns auch einen Wert vermittelt. Wir galten in der DDR doch als »Abschaum der Gesellschaft«. Da tat es gut, zu wissen, daß man der BRD soundsoviel Geld wert war. Das war schließlich nicht nur wegen der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Die dachten wohl auch, daß ich denen noch was einbringe. Das war auch immer ein Grund, wieso ich mich an der Uni politisch gegen diese verrückten linken Ideen engagiert habe. Ich erinnere mich noch genau, wie ich nach all den Schikanen die Grenze überquert habe. Das erste, was ich sah, waren eine Esso- und eine Shell-Tankstelle. Sie glauben nicht, wie ich diese Insignien des Kapitalismus noch heute liebe.
    Doch, das glaube ich ihm. Die Zeit ist bald um. Zwei Fragen noch.
    –   Würden Sie sagen, der Mensch ist die Krone der Schöpfung?
    –   Nur das Gehirn. Bei allem anderen sind uns die Tiere überlegen. Schauen sie sich nur die Muskeln eines Pferdes oder eines Gorillas an. Oder die Niere irgendeiner

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