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Was bin ich wert

Was bin ich wert

Titel: Was bin ich wert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joern Klare
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bei der nationalen Humanvermögensbildung verstehen. Der Brockhaus definiert »Humankapital« sehr allgemein als die »Gesamtheit der in der Regel wirtschaftlich verwertbaren Fähigkeiten, Kenntnisse und Verhaltensweisen von Personen oder Personengruppen«.
    Nach dem zweiten Professor kommt auch noch der Mitarbeiter einer Zeitarbeitsfirma als Referent aufs Podium. Der wirkt von der Physiognomie etwas grobschlächtiger als die Akademiker um ihn herum und sagt Sätze wie: »Die Ressource Mensch ist eine Dienstleistung, die Unternehmen zur Verfügung gestellt wird.« Und wenn die Geschäfte nicht so gut laufen, dann gibt es wie bei Computern oder Waschmittel auch schon mal »15 Prozent Rabatt auf alle Hilfs- und Fachkräfte«, wie ich einige Tage später in einer Anzeige eines anderen Unternehmens der Branche lese.
    Demnach bin natürlich auch ich eine Ressource. Eine Ressource mit einem ökonomischen Wert. Jetzt wüßte ich gern, wie hoch der ist.
    Im Jahr 2002 veröffentlichte dazu die bei der Deutschen Bank angesiedelte Alfred-Herrhausen-Gesellschaft eine interessante Studie. Unter dem Titel »Wieviel Bildung brauchen wir? Humankapital in Deutschland und seine Erträge« wurde eifrig gerechnet. Das Humankapital liegt hierzulande – Stand 2002 – demzufolge bei 230   000 Euro pro Person. Womit der »Durchschnittsbürger mehr Humankapital besitzt als andere Vermögensgegenstände«. Die Summe ergibt sich aus den Beträgen, die – von den Eltern, dem Staat und einem selbst – in Bildung investiert werden, wobei die »ersten 20 Jahre des Lebens der Akkumulation von Humankapital dienen«. Was danach gelernt wird, reicht – so die Autoren der Studie – gerade aus, um das Vergessen wettzumachen. Insgesamt soll der Wert des Humankapitals in Deutschland stagnieren. Das klingt nach einer bösen Falle.
    Ein Hochschulstudium lohnt sich der Studie zufolge nur bedingt. Wer sich zum Beispiel für Germanistik oder Anglistik entscheidet, bereitet der Volkswirtschaft ein Renditeminus von 6,76 Prozent, wohingegen bei einem Betriebswirtschaftler ein Plus von 4,51 Prozent ermittelt wurde. Schlußfolgerung: »Ein Studium, dessen Ertragsaussichten die Investition nicht rechtfertigen, unterbleibt besser«. Der Wunsch nach nicht von der Rendite gesteuerter persönlicher Entwicklung – ich bemühe mich, den Begriff »Selbstverwirklichung« zu vermeiden – ist demnach eine Fehlkalkulation, die »brachliegendes Humankapital« erzeugt.
    Dieser Ansatz, diese Rechnung beschreibt mich, so fürchte ich, als ein Minus. Auf Anfrage erklärt mir einer der Autoren der Studie, es habe in den letzen paar Jahren wieder einen»großen Entwicklungssprung im Bereich der Humankapitalmessung und -bewertung gegeben«. Tatsächlich verkündet 2010 eine Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ( OECD ), daß der Staat durchschnittlich zwar etwa 40   000 Euro in das Studium eines Uni-Absolventen investiert, später aber über höhere Steuereinnahmen und Sozialabgaben sowie ein geringeres Arbeitslosigkeitsrisiko knapp 190   000 Euro zurückfließen, womit der Gewinn dieser Kalkulation bei 150   000 Euro liegt.
    Im Foyer des Congress Centers treffe ich die Professoren Christian Scholz und Volker Stein von der Universität Saarbrücken beziehungsweise Siegen. Beides Betriebswirte, beide mit dem Schwerpunkt Personalmanagement. Sie haben die »Saarbrücker Formel« erfunden. Mit der Saarbrücker Formel, sagen sie, kann man das Humankapital messen.
     
    Die Grundform der Saarbrücker Formel von Christian Scholz, Volker Stein und Stefanie Müller  [3]
     

     
    Es ist nicht die erste Methode, von der das behauptet wird, aber eine der neuesten. Scholz und Stein trommeln erfolgreich für ihre Akzeptanz. Wir sitzen in der offenen Cafeteria. Der Blick hinaus fällt auf ein großes, häßliches Einkaufszentrum. Scholz ist ein kräftiger, selbstbewußter Typ um die Fünfzig, ganz in Schwarz gekleidet. Es würde mich nicht wundern, wenn er zu seinem iPhone auch noch einen Porscheschlüssel auf den Tisch legen würde. Stein hat weniger und ganz kurze Haare, ist jünger und verbindlicher. Eher ein Audi-Typ. Er hat beim Kollegen Scholz studiert und hört lieber zu.
    Scholz stellt erst mal klar, daß er mit den Medien schon viele schlechte Erfahrungen gemacht hat. Es habe viele Mißverständnisse und »Scheinheiligkeiten« gegeben, und er wisse sehr wohl, wie leicht man den Humankapitalansatz diskreditieren könne. Er lacht. Es

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