Was bin ich wert
im Kopf? Da ist die Wissenschaft schon ziemlich weit. Es gibt so was wie Wissensrelevanzzeiten oder Halbwertszeit des Wissens.
Das ist weniger eine schöne Umschreibung für das schlichte »Vergessen«, sondern der Tatsache geschuldet, daß unser Wissen rasant wächst oder geradezu explodiert. Angeblichwird im Schnitt in jeder Minute eine neue chemische Formel formuliert, alle drei Minuten ein neuer physikalischer Zusammenhang entdeckt und alle fünf Minuten eine neue medizinische Erkenntnis gewonnen. So hat die Hälfte des allgemeinen Schulwissens nach Aussage des Weiterbildungsexperten Kurt Nagel aus Würzburg nach 20 Jahren keine Bedeutung mehr. Die Halbwertszeit des Hochschulwissens liegt demnach bei zehn und die des berufsbezogenen Wissens sogar nur bei fünf Jahren. Im Durchschnitt. Bei EDV -Fachleuten soll schon nach zwölf Monaten die Hälfte der Kenntnisse unbrauchbar sein.
– Für jeden Beruf gibt es da eigene Kennwerte.
Stein meldet sich wieder.
– Natürlich verliert das Wissen bei einem Programmierer schneller an Wert als bei einem Dolmetscher. So kann man also den Zeitwert des Wissens ermitteln. Da rechnen wir dann als entscheidenden Punkt noch die Personalentwicklung mit rein. Das heißt, wenn ich als Führungskraft in die Fortbildung meiner Belegschaft investiere, dann erhöht das den Wert der Mitarbeiter. Oder wenn Sie in sich selbst investieren, Stichwort Sprachkurs oder Bildungsreise nach Afrika oder Schottland, dann erhöht das auch Ihren Wert.
Daß Scholz von Afrika und Schottland spricht, ist wohl kaum ein Zufall. Da war ich im letzten Jahr nämlich tatsächlich für Recherchen zu Radioproduktionen, über die man sich im Internet informieren kann. Alles ein bißchen seltsam. Aber daß diese Reisen meinen Wert erhöhen könnten, finde ich sehr interessant.
– Und dann haben wir ein recht ausgeklügeltes System, wo wir auch rauskriegen, inwieweit die Mitarbeiter Commitment-Werte an den Tag legen.
Wieder forme ich mit meinen Stirnfalten ein Fragezeichen. Scholz sieht es und hilft.
– Also ob sie bereit sind, engagiert zu arbeiten. Denn es ist ja schon wichtig, ob sie sich motiviert für ihr Unternehmen einsetzen oder nicht. Und ob sie auch bereit sind, weiterhinim Unternehmen zu verbleiben. Das Gesamtergebnis ist dann ein ganz regulärer Euro-Wert für das Humankapital des Unternehmens, der sich berechnen läßt. Der Aufwand ist minimal.
– Wie geht denn das mit der Motivation? Wie kann man die berechnen? Gibt es dann zwei Gramm Motivation?
– Das ist leicht. Ich kann den Motivationsgrad bestimmen. Das machen wir schon seit 20 Jahren. Da gibt es ein paar ganz clevere Fragen, die man den Mitarbeitern stellt und die von ihnen anonym beantwortet werden.
Bei den Fragen handelt es sich um eine Selbsteinschätzung auf einer fünfstufigen Skala zu Aussagen wie »Bei mir in meinem Tätigkeitsbereich/direkten Umfeld herrscht ein Klima, das mich motiviert und neue Ideen weckt« Oder: »In den letzten vier Wochen habe ich mindestens einmal darüber nachgedacht zu kündigen.«
– Heraus kommt ein Commitment-Grad, der den zuvor ermittelten Euro-Wert der Belegschaft entsprechend rauf- oder runterwertet. Wenn die Mitarbeiter ihr Leistungspotential nur zu 50 Prozent nutzen, dann ist es eben auch nur die Hälfte wert.
– Und wenn einer überhaupt keine Lust hat zu arbeiten?
– Dann hat er kein Humankapital. Wenn Sie Mitarbeiter haben, die zwar toll, aber nicht motiviert sind, dann haben Sie eben ein dementsprechend niedriges Humankapital. Das ist ja logisch.
Klar, ist logisch. Arbeit sollte Spaß machen.
– Und wie kann man Wissen bewerten?
– Über die jeweilige Ausbildung.
Stein übernimmt die Antwort.
– Die Ausgangsfrage lautet: Was wurde gelernt? Und dann gibt es entsprechende Statistiken, Berufskennziffern und Normen. Die sagen uns, was die Abschlüsse wert sind.
Mhm. Gelernt habe ich schon viel – würde ich zumindest behaupten –, aber wenig abgeschlossen.
– Das läßt sich sehr schön über die jeweiligen Marktwertebestimmen. Man kennt ja die Mittelwerte der Gehälter und kann so zum Beispiel auch sagen, was eine Promotion wert ist.
Ich habe nicht promoviert. Ich habe aber viel gelesen, bin viel gereist, habe viele interessante Menschen getroffen. Was ist mit diesen Erfahrungen? Sie sind nicht standardisiert. Soll man das über die Reisekosten machen? Ich hoffe nicht. Das muß nämlich bei mir immer möglichst
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