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Was bin ich wert

Was bin ich wert

Titel: Was bin ich wert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joern Klare
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das? Ich denke an Professor Scholz. Demnach wären diese ermittelten 112   411 Euro mein Nutzwert für das Unternehmen, und – da ich ja das Unternehmen selber bin – also für mich. Wenn ich mich also entlasse, die Nutzungsrechte an mir aufgebe, dann würde ich 112   411 Euro in den Wind schießen, sozusagen vernichten. Das wäre doch schade, oder? Außerdem kann ich mich ja auch gar nicht richtig entlassen. Das schöne Kapital würde dann nur brachliegen. Aber das klingt fast noch schlimmer. Andererseitskönnte ich natürlich auch versuchen, meinen Nutzwert zu mehren. Ich könnte mein Leben hinsichtlich möglicher Effizienzsteigerungen analysieren. Tolle Ratgeber dazu gibt es ja genug. Ich könnte prüfen und schauen, wo sich Gewinnpotentiale realisieren oder besser noch maximieren lassen. Das wäre konsequent. Ich als Aktie. Und noch konsequenter wäre es, dies nicht nur in meinen beruflichen, sondern auch in meinen privaten »Tätigkeitsfeldern« zu tun. Die Trennung wird doch ohnehin immer unschärfer. Wenn ich vor allem eine Ressource bin, dann sollte ich doch Persönlichkeitsentwicklung vor allem als Kapitalbildung begreifen. Ich muß das nur noch stärker verinnerlichen und mich natürlich auch immer neu bewerten. »Der Homo oeconomicus «, schreibt der Philosoph Michel Foucault, »ist ein Unternehmer, und zwar ein Unternehmer seiner selbst  […], der für sich selbst sein eigenes Kapital ist, sein eigener Produzent, seine eigene Einkommensquelle.«
    Das muß aber nicht so sein. Ich muß meine geistige und seelische und körperliche Entwicklung nicht aus der Perspektive der Gewinnmaximierung betrachten oder gar planen. Ich muß keine Aktie sein. Das ist meine Entscheidung. Ich denke da an mein Gespräch mit dem Philosophen Volker Gerhardt über Kant. Wenn mich demnach ein Arbeitgeber als Produktionsfaktor betrachtet und meine Arbeitskraft, mein Arbeitspotential und somit letztlich auch mein Humankapital bewertet – ob nun nach einer Saarbrücker, einer Osnabrücker oder einer Hunsrücker Formel – dann muß das kein Angriff auf meine Würde sein. Es ist vielleicht unangenehm, aber es ist nicht unbedingt illegitim. Nach irgendeinem Kriterium muß ja mein Lohn, mein Einkommen, mein Honorar bemessen werden. Das zu leugnen, wäre wohl weltfremd. Wobei aber nicht zu leugnen ist, daß gesellschaftliche Systeme denkbar sind, in denen solche Bewertungen weniger dominant sind als in dem unseren. Aber das ist ein anderes – und auch recht großes – Thema.
    Und man darf auch nicht vergessen, daß ein Arbeit- oder Auftragsnehmer unabhängig von der betriebswirtschaftlichen Bewertung mit Respekt behandelt werden muß, daß er eben jenseits seines Marktwertes seine Würde hat. Daß der Mensch also, um es nach Gerhardt mit Kant auszudrücken, nicht nur ein Mittel, sondern auch Zweck an sich ist, mit einem quasi unendlichen Wert. Und deshalb ist es dringend geboten, den Menschen davor zu schützen, daß er in der Arbeitswelt auf sein nacktes Humankapital reduziert wird. Da braucht es schon ein sozial austariertes Arbeitsrecht. Wo die reine Effizienzorientierung Verlierer schafft, müssen diese Menschen durch soziale Sicherungssysteme aufgefangen werden. Das ist ein Gebot der Solidarität und letztlich auch eine Frage des Umgangs mit der Würde des anderen.
    Aber in diesem Zusammenhang fällt mir noch etwas ein: »Frauen und Kinder zuerst!« – das klassische Leitmotiv jeder Katastrophenrettung, zumindest in den Filmen, die ich kenne. Nach dem Humankapitalansatz wäre das die pure Verschwendung. Aber wie funktioniert das außerhalb der Filme, im echten Leben?
    Ein Stichwort dazu stammt ursprünglich aus der Militärmedizin und lautet »Triage«, was aus dem Französischen kommt und soviel wie Sichtung, Einteilung oder auch Auswahl bedeutet. So steht die Triage für die Aufgabe, etwa bei einem Massenunfall so schnell wie möglich zu entscheiden, wer wie behandelt wird und wer im Zweifelsfall – das heißt bei zu knappen materiellen und/oder personellen Mitteln – eben keine Behandlung bekommt. Zur konkreten Auswahl gibt es verschiedene Handlungsmodelle, die es den Medizinern erlauben sollen, derart existentielle Entscheidungen innerhalb von Minuten zu fällen. Allgemein sollen möglichst viele Personen das Ereignis mit möglichst wenig Schaden überstehen. Zu aufwendige Maßnahmen sollen bei weniger schwer Geschädigten ebenso vermieden werden wie bei den vermeintlich »aussichtslosen« Fällen. Zumindest so

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