Was bin ich wert
aus.
– Ja. Oder nein! Also ich wollte mal was fragen.
– Klar. 80 Euro, wenn wir aufs Zimmer gehen …
– Nein, ich will nur reden.
Sie schaut sehr verständnisvoll. So von schräg unten und immer noch sehr nah. Ich habe die Gesprächssituation nicht unbedingt im Griff. Und jetzt schaut sie noch verständnisvoller und sehr einladend.
– Klar. 80 Euro wenn wir aufs Zimmer gehen …
– Nein, ich wollte fragen …
– 150 wenn …
– Ich wollte fragen, ob Sie das Gefühl haben, daß Sie sich verkaufen?
Jetzt ist es raus. Und sie ist nicht mehr ganz so nah. Und sie guckt auch nicht mehr ganz so verständnisvoll.
– Was?
– Ich wüßte gern, ob Sie das Gefühl haben, daß Sie sich verkaufen?
Sie wirkt ein wenig irritiert und scheint zu überlegen. Einen Moment nur.
– Hör mal, das sind Dienstleistungen, die ich hier anbiete. Service! Verstehst du? Französisch oder was auch immer. Da kannste dir was aussuchen und dann bezahlste dafür. Aber mich kaufen kannste nicht. Sonst noch was?
– Nee, schon gut. Danke.
Sie ist sauer. Das wollte ich nicht.
– Ich hab es mir ja gedacht, ich wollte nur mal fragen.
Sie hat sich schon umgedreht und geht weg. Zum Abschied hat sie noch »Idiot« gesagt.
34.
Ich als Umweltschaden. Ein Lebensjahr ist 50 000 Euro wert.
Besuch beim Umweltbundesamt
»Für Mensch und Umwelt« – so der Leitspruch – arbeiten beim Umweltbundesamt etwa 1300 Menschen. Sie bieten der Bundesregierung seit 1974 wissenschaftliche Unterstützung, achten auf den Vollzug der Umweltgesetze und informieren die Öffentlichkeit über den Umweltschutz.
Unter anderem unternimmt die Behörde auch die »Ökonomische Bewertung von Umweltschäden«, das heißt, sie rechnet aus, was es kostet, die Umwelt zu zerstören. Dazu hat sie eine »Methodenkonvention zur Schätzung externer Umweltkosten« veröffentlicht. Hinter dem Papier beziehungsweise der im Internet bereitgestellten Datei stecken »umfangreiche Diskussionen« mit »politischen Entscheidungsträgern und Wissenschaftlern«.
Auch ich bin Umwelt. Auch ich kann geschädigt werden. Auch das könnte was kosten. Ich wüßte gern, wieviel.
Meine Ansprechpartnerin, so teilt man mir mit, ist die Volkswirtin Sylvia Schwermer, zuständig für den Fachbereich wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Umweltfragen.
Das Umweltbundesamt ist im Jahr 2005 von Berlin nach Dessau in Sachsen-Anhalt gezogen, hat aber noch drei Außenstellen in Berlin, eine davon im idyllischen Grunewald am Bismarckplatz. An einem sonnigen Mittwochvormittag sitzt Frau Schwermer dort in einem eher kargen »Pendlerbüro«. Schwermer ist Mitte Vierzig. Sie hat kurze Haare und ein freundliches Lächeln. Ich stelle mich vor. Wir sprechen über die schwierige Zugverbindung nach Dessau. Dann ist es soweit:
– Was bin ich wert?
Ich probiere es auf die plumpe Tour. Ist aber zu plump. Sie lacht. Ich warte.
– Das kann ich nicht beantworten.
Die Antwort kenne ich.
– Den Wert eines Menschen kann man nicht in Euro bemessen.
Das Problem kenne ich auch.
– Wir können bemessen, was es kostet, ein Gewässer zu verschmutzen, weil sich das ja mit Geld wiederherstellen läßt. Bei einem Menschen geht das nicht.
Das sehe ich ein. Geld kann einen toten Menschen nicht wiederherstellen. Ich habe sogar Zweifel, daß sich ein Gewässer tatsächlich wieder so herstellen läßt, wie es mal war, nämlich unberührt. Aber darum geht es jetzt nicht.
– Umweltschäden, zum Beispiel Luftverschmutzung oder Lärm, wirken sich negativ auf die Gesundheit aus und können auch zu einer Verkürzung der Lebenszeit führen. Daher verwenden ökonomische Analysen im Umweltbereich auch den Ansatz »Value of a Life Year Lost«
Auf deutsch heißt diese Methode »Wert eines verlorenen Lebensjahres«. Vielleicht ein Euphemismus? Zumindest bin ich ein bißchen verwirrt. Wenn Lebensjahre bewertet werden, dann müßte doch auch ein ganzes Lebens einen Wert haben? Schwermer spricht lieber erst mal von Staubemissionen, die der Gesundheit schaden. Es ist möglich, anhand der Menge der Staubpartikel in der Luft Aussagen über die Häufung von Krankheiten wie Asthma und entsprechende Krankenhausaufenthalte zu treffen. Und das, so Schwermer, könne man monetär erfassen.
– Staubbelastung führt aber auch zu einer im statistischen Mittel bestimmbaren Verkürzung der Lebenszeit. Man kann die wachsende Wahrscheinlichkeit, daß es unter
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