Was bin ich wert
Lebensdauer? Diese Schäden werden dann monetär bewertet.
– Und bei den verlorenen Lebensjahren verwendet das Umweltbundesamt die 50 000 Euro für den Wert eines verlorenen Lebensjahres.
– Oder die 75 000? Wäre doch schöner, oder?
Schwermer will nicht feilschen.
– Es geht ja nicht darum, daß ein möglichst hoher Schaden rauskommt. Wir rechnen in der Regel mit Bandbreiten. Es ist wichtig, daß man die Ansätze und Kriterien, im Zweifelsfall auch die Unsicherheiten, transparent macht. Aber auch wenn wir »nur« die 50 000 – als untere Grenze – nehmen, wird oft schnell klar, daß man unbedingt einschreiten sollte oder daß sich bestimmte Umweltschutzmaßnamen auch ökonomisch lohnen.
Nimmt man die Umweltkosten aus Luftverschmutzung und Lärm, die Kosten für Natur- und Landschaftszerstörung, für Boden und Wasserverschmutzung sowie die Klimafolgekosten, kommt man zu den Ergebnis, daß ein gefahrener PKW -Kilometer laut Umweltbundesamt drei Cent kostet, bei einem LKW sind es im Schnitt sogar 17 Cent. Diese Mittelwerte beziehen sich auf die Fahrzeugflotte von 2005. In der Stadt sind die Kosten höher als auf dem Land, weil da eben mehr Menschen negativ vom Verkehr betroffen sind.
– Und was macht dann die Politik mit diesen Berechnungen?
– Strikte Kosten-Nutzen-Abwägungen führen wir nicht durch. Diese Analysen werden aber als Argumentationsgrundlage genutzt. Etwa bei einer Gesetzesfolgenabschätzung. Man kann damit auch monetär bewerten, was eine umweltpolitische Maßnahme an Nutzen bringt – etwa an eingesparten Kosten für das Gesundheitswesen und Sanierungsarbeiten. Das ist wichtig, weil oftmals allein die Kosten im Vordergrund stehen und die Nutzen unter den Tisch fallen.
Wieder denke ich an diesen ominösen Bericht des Weltklimarates. Ich oder ein anderer Industriestaatenbewohner in der einen Waagschale, 15 Bangladeschis in der anderen. Würde sie auch so rechnen? Schwermer schüttelt den Kopf.
– Das Problem ist bekannt, weil sich ja CO 2 -Emissionen global auswirken. Es gibt verschiedene Auffassungen, wie man die Schäden monetär bewerten soll. Dabei geht es ja nicht nur um Menschenleben. Aber nehmen wir zum Beispiel die Ressourcenausfallkosten: Jemand ist krank und kann nicht mehr arbeiten. In einem armen Land mit einem niedrigen Bruttoinlandsprodukt sind dann die Kosten für einen ausgefallenen Arbeitstag oft wesentlich niedriger als in einem reichen Land. In einem Entwicklungsland sind das bei einem Arbeiter vielleicht nur ein paar Euro, bei uns vielleicht das Hundertfache. Man kann nun also die tatsächlichen Kosten – eben die paar Euro – nehmen. Oder man gewichtet den Schaden entsprechend höher. Weil so ein paar Euro in einem armen Land viel stärker ins Gewicht fallen als in einem reichen Land. Um das auszugleichen, gibt es ein sogenanntes equtiy rating , eine »Gerechtigkeitsgewichtung«.
Das Umweltbundesamt, sagt Schwermer, plädiert für diese Gerechtigkeitsgewichtung, weil es beim Klima um internationale Verantwortung geht. Doch bei den Kostenberechnungen für Umweltschäden fehlen verbindliche Normen. Das liegt an der Skepsis gegenüber den großen Bandbreiten. Die Umweltkosten einer Tonne CO 2 liegen mit der Gerechtigkeitsgewichtung bei etwa 70 Euro. Andere Kalkulationen kommen auf 300 oder aber nur 15 Euro.
– Einige plädieren dann für den oberen, andere für den unteren Wert. Das gibt Streit, und dann kommt der Vorwurf, das sei nicht wissenschaftlich. Also sucht man einen Kompromiß. Für verbindliche Normen ist es noch zu früh.
Ich vermute, hinter den vermeintlich wissenschaftlichen Streitereien stecken auch politische Auseinandersetzungen. Wer einen Wert, der unangenehme politische Konsequenzen zur Folge hätte, nicht anerkennen will, stellt die wissenschaftliche Methode, die hinter diesem Wert steht, zumindest in Frage.
– Hätten Sie gern verbindliche Normen?
– Ich wäre schon froh, wenn die Bewertung der Umweltschäden als Prinzip stärker eingeführt würde. Das durchzuziehen ist aber schwierig. Das Leben läuft ja nicht wie in einem Lehrbuch für Volkswirtschaft. Es ist sehr komplex.
Für einen Ökonomen beziehungsweise eine Ökonomin ist eine solche Aussage, soviel habe ich schon mitbekommen, alles andere als selbstverständlich, dafür aber sehr sympathisch.
– Auch zu komplex für objektive Werte?
– Objektive Werte gibt es nicht. Werte basieren auf Wertvorstellungen, und die sind
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