Was bin ich wert
bestimmten Bedingungen mehr Todesfälle gibt, berechnen. So läßt sich prognostizieren, um wie viele Jahre die Lebenserwartung sinkt. Umgekehrt führt eine Senkung der Staubbelastung zu einer entsprechenden Verlängerung der Lebenszeit. Und wir kalkulieren mit 50 000 Euro pro Lebensjahr. Das kann man dann multiplizieren. Es sind aber keine konkreten Menschen, sondern statistische Lebensjahre.
Na also. 50 000 Euro für ein Lebensjahr. Selbstverständlichstatistisch. Sonderlich viel scheint mir das nicht. Also ich würde da sicher mehr ausgeben. Aber laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid wäre immerhin ein Fünftel aller Deutschen bereit, für eine Million Euro auf ein komplettes Jahr ihres Lebens zu verzichten. Schwermer windet sich ein wenig.
– Da gibt es natürlich einen gewissen Konflikt. Dieses unangenehme Gefühl: »Das kann man doch nicht bewerten«. Das verstehe ich, bin aber trotzdem dafür, daß man diese Werte einsetzt.
Die Diagnose zu Schwermers Konflikt lautet: »ethisches Spannungsfeld«. Kenne ich von Assing, dem Mann von der BAS t, kann ich nachvollziehen. Erstmal konzentriere ich mich aber auf die 50 000 Euro.
– Wie kommen Sie auf 50 000 Euro für ein Lebensjahr?
– Dazu wird zur Zeit viel geforscht. Wir hatten dazu ein eigenes Projekt. Verschiedene Forschungsinstitute haben für uns die relevanten Studien, die es in Europa gibt, ausgewertet.
Sie hält einen einfachen Hefter in der Hand, auf dem ein komplizierter Titel steht. Es ist ein Sachstandpapier zum Thema »Erarbeitung von Maßstäben für die Bewertung umweltrelevanter externer Kosten und Entwicklung von Vorschlägen zur Nutzung der Schätzungen«. Mit knackigen Überschriften scheinen sie es beim Umweltbundesamt nicht so zu haben. Dafür ist aber alles auf Recyclingpapier gedruckt.
Im Kapitel »Bewertung von Gesundheitsrisiken« verwerfen die Verfasser für ihre Zwecke den Humankapitalansatz und propagieren die Methode für den Wert eines statistischen Lebens auf der Basis der direkten Zahlungsbereitschaft, Spengler hört das sicher gern. Das Umweltbundesamt – Danke für die Transparenz! – macht keinen Hehl daraus, daß die Methoden etwas wackelig sind. In der neuesten Studie im Auftrag der EU -Kommission wurden je etwa 300 Menschen in England, Frankreich und Italien gefragt, wieviel sie zahlen würden, um eine Erhöhung des Sterberisikos innerhalb dernächsten zehn Jahre auszuschließen. Die Bedeutung dieser begrenzten Zeitspanne wird betont, weil Zahlen für eine durch chronische Luftverschmutzung verursachte Sterblichkeit ermittelt werden sollen. Das heißt, an dem Dreck, den ich heute einatme, sterbe ich erst in einigen Jahren. Die entsprechende Zahlungsbreitschaft ist eine andere, als wenn gleich Schluß wäre. Das Ergebnis der Berechnungen ist dann ein »Wert von ca. 50 000 Euro je verlorenem Lebensjahr«. Auf dieser Basis wird aber mit Hilfe diverser Zinsrechnungen auch noch ein Wert für »akute Mortalität« (also heute einatmen und sehr bald sterben) von 75 000 Euro für ein verlorenes Lebensjahr ermittelt.
Runde Summe, mit der sich gut rechnen läßt. Zum Beispiel, wenn man die eine Million Lebensjahre nimmt, die in Europa laut einem aktuellen Bericht der Weltgesundheitsorganisation jedes Jahr allein durch Lärmbelastung verlorengehen. Die hätten dann einen Wert von 50 Milliarden Euro. Daß aber die Befragung von lediglich 900 Engländern, Franzosen und Italienern aufgrund einer doch zumindest, wie mir bei Spengler aufgefallen ist, fragwürdigen Methode über den statistischen Wert auch eines meiner Lebensjahre bestimmt, finde ich allerdings, nun ja, irritierend. Nichts gegen Engländer, Franzosen oder Italiener, aber mein Vertrauen in statistikverliebte Ökonomen wird dadurch nicht unbedingt gestärkt. Auch Schwermer, so mein Eindruck, wirkt nicht hundertprozentig überzeugt. Fast schon entschuldigend sagt sie:
– In bezug auf die externen Umweltkosten ist das der aktuelle Konsens auf der wissenschaftlichen Ebene. Also der sogenannte best-practice -Wert.
Dieser Wert wird dann unter anderem genutzt, um die externen Kosten des Verkehrs zu berechnen. Das heißt, man ermittelt die Art und Menge der Schadstoffe, die ein Auto auf einem Kilometer ausstößt, guckt, wo das runterkommt, wie dort die Bevölkerungsdichte ist und was die Schadstoffe bewirken – Bronchitis, Asthma etc. Wie viele entsprechende Krankheitstage gibt es, wie verringert sich die
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