Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)
seither um die Frage: Welche Marktwirtschaft? Da ist, vorangetrieben vor allem durch die USA , die prädikatlose, ungeregelte Marktwirtschaft oder Marktwirtschaft pur .
Aber nach den verheerenden Erfahrungen der vergangenen und gegenwärtigen Weltfinanz- und Wirtschaftskrise dürfte es schwer sein, Menschen heute von der »Marktwirtschaft pur« zu überzeugen. Es geht vielmehr darum, eine sozial verpflichtete Marktwirtschaft oder soziale Marktwirtschaft zu etablieren. Die soziale Marktwirtschaft wurde nach dem Zweiten Weltkrieg in exemplarischer Weise in der Bundesrepublik Deutschland realisiert, befindet sich aber ebenfalls in einer Krise, die vor allem den Umbau des wuchernden Sozialstaats erfordert.
Wege aus der Weltwirtschaftskrise? Drei Komplexe des Versagens
– Ein Versagen der Märkte selber: Moral hazard, exzessive Spekulation (Immobilien- und Aktienmarkt), überbewertete Währung, schlechtes Timing der kurzfristigen Schulden, Präsenz eines starken Schwarzmarktes, ein Ansteckungseffekt.
– Ein Versagen der Institutionen : unzureichendes Funktionieren von Regulierungs- und Überwachungssystem, Bankensystem, rechtliche Infrastruktur und Finanzsystem, mangelnder Schutz der Eigentumsrechte, Mangel an Transparenz und inadäquate Bilanzstandards.
– Ein Versagen der Moral , das dem Versagen der Märkte und Institutionen zugrunde liegt: »Crony«- und Mafia-Kapitalismus, Bestechung und Korruption, Mangel an Vertrauen und sozialer Verantwortung, exzessive Raffgier der Investoren oder Institutionen (J. H. Dunning).
Es muss deutlich werden, daß in der Wirtschaft die Moral, das Ethos nicht etwas Marginales ist oder nur etwas künstlich Aufgesetztes, sondern daß man hier mit Recht von einem »moral framework« spricht, das sowohl mit den Märkten wie mit den Regierungen, mit den Wirtschaftsverbänden und mit den supranationalen Organisationen in Interdependenz und Interaktion steht. Mit Ethos sind also nicht nur »moralische Appelle« gemeint, sondern moralisches Handeln.
Verantwortungsvolles Wirtschaften: ohne institutionalisierte Gier und Lüge
Wir brauchen, so machte es bereits die asiatische Finanzkrise der 1990er Jahre klar, eine Neuordnung des globalen Finanzsystems . Eine solche erfordert eine Besinnung auf das notwendige Minimum an bestimmten ethischen Werten, Grundhaltungen und Maßstäben. Ein Weltethos für diese Weltgesellschaft und Weltwirtschaft tut not, auf das sich alle Nationen und alle Interessengruppen verpflichten können. Wie eine Rahmenordnung für die Finanzmärkte (ähnlich wie seinerzeit das Bretton-Woods-Abkommen) global gelten müßte, damit die Teilnehmer bei Einschränkungen nicht einfach in andere Märkte fliehen, so müßte auch ein ethischer Grundkonsens global gelten , damit ein einigermaßen friedliches und gerechtes Zusammenleben auf unserem Globus gewährleistet ist. Also:
Globale Marktwirtschaft erfordert ein globales Ethos der Humanität
Markt und Ethik sind nicht zwei unversöhnbare Welten, aber es muß klar sein, was den Vorrang (Primat) hat – jedenfalls nicht der Markt:
– Es gilt der Primat der Politik gegenüber der Ökonomie : Die Wirtschaft darf nicht nur im Dienst der angeblich rationalen strategischen Selbstbehauptung des Homo oeconomicus funktionieren. Die Politik, die sich um Menschen, Gemeinschaft und Menschheit als Ganze kümmert, muß die Regeln setzen, und die Wirtschaft muß sich daran halten.
– Zugleich gilt der Primat des Ethos gegenüber Ökonomie und Politik : So grundlegend Wirtschaft und Politik sind, sie sind nur einzelne Dimensionen der allumfassenden Lebenswelt des Menschen, die um der Menschlichkeit des Menschen willen ethischen Maßstäben der Humanität unterworfen sein müssen.
Das heißt: Weder die Ökonomie noch die Politik haben also den Vorrang, sondern die in allem zu wahrende unantastbare Würde des Menschen und die mit dem Menschsein gegebenen Grundrechte und Grundpflichten . Es kann eine von Wirtschaftsinteressen unabhängige, aber keine von ethischen Normen losgelöste Politik geben. Doch was für eine Ethik soll gelten?
Keine unökonomische Gesinnungsethik
Nicht tauglich für eine neue Weltwirtschaftsordnung ist die bloße Gesinnungsethik der Ideal-»Ökonomen« . Für sie reichen eine rein moralische Motivation und der gute und oft hehre Zweck (Gerechtigkeit, Liebe, Wahrheit, Frieden) aus. Um gegebene ökonomische Gesetzlichkeiten und die konkrete Durchsetzbarkeit in einem hochkomplexen
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