Was der Winter verschwieg (German Edition)
als sie sich ihrem Haus näherten und Noah die Geschwindigkeit drosselte. Gleichzeitig war sie von einer ungekannten Heiterkeit erfüllt.
„Mein Gesicht ist eingefroren“, sagte sie zu Noah, der direkt vor der Verandatreppe anhielt und den Motor ausschaltete.
„Aber wenigstens lächeln Sie.“
„Wirklich?“ Sie legte die Hände an die Wangen. „Ich spüre nichts.“
„Aber Sie zeigen es. Und ein Lächeln steht Ihnen wirklich gut.“
„Würden Sie gern noch mit hineinkommen?“
Sie erwartete, dass er das Angebot ausschlagen würde, so wie er Tinas Einladung abgelehnt hatte. Doch überraschenderweise sagte er: „Danke, gerne.“
Sie traten sich den Schnee von den Stiefeln ab und gingen hinein.
„Sie hat was für Sie übrig“, merkte Sophie an.
„Sie?“
„Tina. Sagen Sie nicht, dass es Ihnen noch nicht aufgefallen ist.“ Sie ging voran und zeigte ihm das Stiefelregal.
„Doch, aber sie ist nicht mein Typ.“
Sophie war erschreckend erleichtert, das zu hören. „Ich kann mich kaum noch erinnern, wie ich in ihrem Alter war. Sie etwa?“
„Ihr alter Herr ist Sockeye Calloway“, erklärte Noah. „Er hat 1980 im US-Hockeyteam in Lake Placid gespielt.“
Das Goldmedaillenteam. Das Wunderteam. „Ich wünschte, Sie hätten ihn nicht einen alten Herrn genannt.“ Sophie seufzte. „Ich erinnere mich noch lebhaft daran, wie ich in dem Jahr ganz aufgeregt den Olympischen Spielen zugesehen habe. Tina muss eine gute Schlittschuhläuferin sein.“
„Ja, das ist sie. Und Ihr Feuer ist fast aus.“ Das Thema Tina war für ihn eindeutig erledigt. „Ich lege schnell ein wenig Holz nach.“
Sophie schaute ihm bei der Arbeit zu und merkte überrascht, dass die Gefühle, die sie vorhin gehabt hatte, immer noch da waren – sie waren sogar stärker geworden. Kein Zweifel – der Mann machte sie an.
Okay, Sophie, sagte sie sich, atme tief durch.
Sie verhielt sich sehr ruhig und still und wartete darauf, dass das Gefühl verging, so wie ein Anfall von Übelkeit oder Schwindel. Doch je länger sie Noah zuschaute, desto mehr faszinierte er sie. Noch bevor er das erste Holzscheit in den Ofen gelegt und die Glut zu kleinen, lodernden Flammen angefacht hatte, wurde ihr schon ganz warm.
Ihre Haut fühlte sich erhitzt an. Ihr Gesicht, das noch vor wenigen Minuten eingefroren gewesen war, wurde ganz rot, und ihre Gliedmaßen und Augen waren mit einem Mal so angenehm schwer. Das hatte nichts mehr mit dem Jetlag zu tun.
Sie versuchte, ihre Gefühle durch eine rationale Betrachtung aufzulösen. Ehrlich, wie doof musste man sein, auf dieses Urzeitmuster hereinzufallen? Ein Mann machte Feuer in ihrem Ofen. Na und? Das bedeutete nicht, dass sie ihm die Kleider vom Leib reißen und sich auf ihn stürzen würde.
Außer dass sie genau das wollte.
Noah richtete sich auf und drehte sich zu ihr um. Lange, flatternde Flammenbänder umhüllten die Holzscheite. „Das sollte für eine Weile reichen.“
Sophie hielt nicht inne, um über ihren nächsten Schritt nachzudenken. Sie ging zu ihm, packte ihn am Vorderteil seines Pullovers, zog ihn an sich und drückte ihm einen schamlosen, aggressiven und leidenschaftlichen Kuss auf die Lippen.
Er schmeckte genauso, wie sie es sich erhofft hatte. Eine Süße, für die sie keinen Namen hatte. Er roch nach Winterluft, nach Holz und ein wenig nach Abgasen – eine Kombination, die sie unglaublich sexy fand. Innerhalb von Sekunden verlor sie sich in dem Gefühl seines Mundes, den leichten Bartstoppeln, dem dunklen, welligen Haar, das ihr über die Wangen strich.
Als wenn er gewusst hätte, dass es so kommen würde, vertiefte er den Kuss mit einem Hunger, von dem er sich nicht einmal die Mühe machte, ihn zu verbergen. Wusste er, wie erregend sein offen gezeigtes Verlangen war? Es war, als würde man ein brennendes Streichholz in eine Kerosinpfütze werfen. Seine Hände glitten an ihrem Körper entlang, und zitternd bemerkte sie, dass er nach dem schnellsten Weg suchte, sie von ihrer Kleidung zu befreien.
Was der Grund dafür war, dass sie, ungefähr dreißig Sekunden nachdem sie ihn mit dem Kuss überfallen hatte, in nichts als ihrem Slip und ihrem Hemdchen auf dem Teppich vor dem brennenden Ofen stand.
Bis jetzt hatte keiner von ihnen ein Wort gesagt, doch als sie in sein Gesicht schaute, erkannte sie darin ein solches Verständnis, eine so tiefe Verbundenheit, dass alle Worte überflüssig waren. Es gab so viele Gründe, warum das hier eine schlechte Idee war, doch es fühlte
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