Was der Winter verschwieg (German Edition)
hin.
„Oh, vielen Dank.“ Sophie machte einen Schritt zur Seite, damit Gayle eintreten konnte. „Das ist unglaublich nett von dir.“
„Freu dich nicht zu früh. Ich bin eine fürchterliche Bäckerin. Aber der Lagerkoller hat mich so sehr zur Verzweiflung getrieben, dass ich gewillt war, es noch mal zu versuchen.“
„Hast du noch einen Moment Zeit?“
„Ja, aber nicht lang.“ Gayle schaute sich in der Hütte um. „Ich bin noch nie hier drin gewesen. Nett.“
„Heute kommt mein Sohn zum ersten Mal hierher. Max ist zwölf. Ich hoffe, ihm gefällt es hier so gut wie mir.“
„Es ist wirklich ganz zauberhaft. Was sollte ihm daran nicht gefallen?“
„Nun, wir werden sehen. Vielleicht die Tatsache, dass ich kein Kabelfernsehen habe.“
„Hups“, sagte Gayle. „Allerdings sieht das da hinten wie ein DVD-Player aus. Vielleicht kann er sich bei Silver Screen in der Stadt ein paar Filme ausleihen.“
„Klingt verlockend, aber ich möchte gerne die Zeit mit ihm gemeinsam verbringen. Wenn wir etwas Abwechslung brauchen, kann ich ihm immer noch Cribbage oder Canasta beibringen. Meine Güte, wie deprimierend ist es bitte, vor dem Besuch des eigenen Sohnes nervös zu sein? Er lebt seit der Scheidung bei seinem Vater.“ Sie wappnete sich für die Standardreaktion – die Fragen, den verurteilenden Blick.
„Dann ist es doch kein Wunder, dass du nervös bist.“ Gayle tätschelte ihr den Arm. „Wenn ich dir allerdings einen Rat geben darf: Bereite dich darauf vor, dass es nicht perfekt wird. Du hast vermutlich viele Erwartungen aufgebaut und weißt genau, wie alles werden soll.“
Sophie war erleichtert, dass Gayle so viel Verständnis hatte. „Das klingt nach eigener Erfahrung.“
„Als Adams Einheit einberufen wurde, bekam er einen kurzen Heimaturlaub, bevor er nach Übersee geschickt wurde. Ich hatte damals diesen perfekten Tag für die ganze Familie geplant. Ich sah einen endlosen Strom an Postkartenmotiven vor meinen Augen, Momente voller Erinnerungen, die uns für immer bleiben würden.“ Sie lächelte zerknirscht. „Okay, Erinnerungen haben wir, aber als Postkartenmotiv eignet sich keine davon.“
„Ich nehme an, es lief nicht so wie geplant?“
„Es fing mit einer bösen Mittelohrentzündung des Babys an, ging mit einer dreistündigen Wartezeit beim Arzt weiter und endete in einem großen Streit, weil Adam darauf bestand, einen zehn Meilen weiten Umweg zu fahren, um das Rezept einzulösen, und – wer hätte es gedacht – diese Apothekerin seine Exfreundin war. So viel zum gemeinsamen Singen am Lagerfeuer. Oh, und dann noch das Gourmetdinner auf dem Steg vom Inn am Willow Lake mit Blick auf die sich bunt färbenden Blätter? Hat sich alles in Luft aufgelöst.“
Sophie konnte sich gut vorstellen, wie schlimm das für Gayle gewesen war. „Das tut mir leid.“
„Ich erinnere mich, ‚Sieh zu, dass du aus meinem Leben verschwindest‘ gerufen zu haben, als der Zug aus dem Bahnhof fuhr. Ja, daran erinnere ich mich.“
„Oh mein Gott. Das ist ja fürchterlich.“
„Zum Glück gab es ein Happy End. Ich stand mit den Kindern auf dem Bahnsteig, verzweifelt und am Boden zerstört, als der Zug plötzlich anhielt und Adam heraussprang. Er hatte die Notbremse betätigt, um den Zug anzuhalten, weil er sich genauso schlecht fühlte wie ich. Wir hatten dann doch noch unsere große Verabschiedung mit einem ganzen Zug voller Leute, die uns zugejubelt haben. Es hat sogar jemand ein Foto gemacht, und ein Nachrichtendienst hat es aufgeschnappt und so wurde unsere Geschichte in ganz vielen Zeitungen abgedruckt.“
„Oh wie schön. Dann hast du also doch noch deine romantische Erinnerung bekommen.“
Gayle nickte. „Er hat mir sogar die Sache mit der Exfreundin erklärt. Sie ist eine Apothekerin, die auch eigene Rezepturen herstellen darf, und wurde ihm vom Arzt empfohlen. Das hatte ich aufgrund des schreienden Babys gar nicht gehört, und Adam war zu wütend auf mich, um mich aufzuklären.“
„Aber ihr habt es geschafft.“
„Ja. Aber er ist trotzdem weg. Weg ist weg.“
Sophie erkannte den Schmerz in ihrer Stimme. Es war eine Sache, Single zu sein, weil die Ehe gescheitert war. Aber gezwungenermaßen von seinem Mann getrennt zu sein … „Es tut mir leid“, sagte sie noch einmal. „Wenn ich irgendetwas tun kann …“
„Ja, vielleicht.“ Gayle steckte die Hände in die Taschen. „Ich brauche einen Rat. Noah sagte mir, dass du Anwältin bist.“
Oje. „Ja, aber ich praktiziere
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