Was der Winter verschwieg (German Edition)
war ein Fortschritt. Na ja, vielleicht.
„Wo wohnt sie?“, wollte Chelsea wissen.
„An der Lakeshore Road.“
„Da wohne ich auch.“
Oh, lass uns beste Freunde werden, dachte Max.
„Das ist der letzte Halt“, informierte sie ihn. „Fahrtende. Ich bin immer die Letzte, die nach Hause kommt. Das nervt mich total.“
Max holte sein Handy heraus. Er musste sich nicht wirklich bei irgendjemandem melden, aber wenn er beschäftigt aussah, würde die fette, genervte Chelsea vielleicht aufhören zu quatschen. Weil ihm nichts Besseres einfiel, schickte er Dubois eine SMS: Bist du heute beim Training? Er hielt seine Hand so vors Display, dass Chelsea es nicht lesen konnte. Er wusste bereits, dass Dubois zum Eishockeytraining kommen würde, genau wie sein anderer Freund Altshuler. Ihre Eltern wechselten sich mit dem Fahren ab. Heute würde Max’ Mom die Tour zum ersten Mal übernehmen. Sie hatte gerade erst einen allradbetriebenen Minivan gekauft, ein echtes Mama-Auto, wie sie es nannte.
Max klappte sein Handy zusammen und steckte es in die Tasche. Sein Dad hatte strenge Regeln für den Gebrauch aufgestellt und überprüfte die Rechnungen sehr genau, um zu sehen, ob Max sich daran hielt. Wenn es nach seinem Dad gegangen wäre, hätte Max gar kein Handy. Soweit Max wusste, lag dessen Hauptzweck darin, dass seine Mom eine Möglichkeit hatte, ihn zu erreichen, und zwar nur ihn. Sie hasste es, bei ihnen zu Hause anzurufen und Gefahr zu laufen, dass sein Dad oder Nina rangingen. Also hatte Max sein eigenes Telefon bekommen und Mom ihren eigenen Klingelton – „I Go to Sleep“ von den Pretenders.
Der Bus schaukelte seine vorgegebene Route entlang und kam an jeder Haltestelle holpernd zum Stehen. Alle paar Minuten ächzten und zischten die Bremsen, wenn er wieder einen Passagier absetzte. Sobald das Strebermädchen von der anderen Gangseite ihren Sitz frei gemacht hatte, schnappte Max sich Sporttasche und Rucksack und setzte sich um. Er ließ sich gegen das Fenster fallen und schaute hinaus. Die Scheibe beschlug von seinem Atem.
Unglücklicherweise hielt sein Manöver Chelsea nicht davon ab, weiter mit ihm zu reden. Obwohl er so wenig Reaktion wie möglich zeigte, ohne komplett unhöflich zu wirken, quasselte sie einfach weiter. Die Liste der Dinge, die sie nervten, wurde mit jeder Kurve, die der Bus nahm, länger. Die Tatsache, dass die meisten schneefreien Tage des Schuljahrs schon aufgebraucht waren, obwohl es gerade mal Februar war. Dass es an der Lakeshore Road keinen Kabelanschluss gab. Die Serie „High School Musical“, die sie bei einer Freundin gesehen hatte, weil sie zu Hause ja kein Kabelfernsehen hatte. Der Preis des Lifts am Saddle Mountain, wo sie und ihr Großvater jedes Wochenende Ski fuhren.
„Fährst du Ski?“, fragte sie Max und beendete damit ihre Litanei.
„Snowboard“, sagte er.
„Wow, das ist toll. Ich wollte es auch immer lernen, aber meine Großeltern wollen mir keine neue Ausrüstung kaufen. Das nervt mich total.“
Natürlich tat es das. Es gab auch Sachen, die Max total nervten, aber er lief nicht herum und erzählte sie jedem, der sie nicht hören wollte. Einen Test zu verhauen und ihn von seinem Vater abzeichnen zu lassen nervte ihn zum Beispiel. Eine ganze Reihe neuer Stiefcousinen und -cousins zu haben, die er nicht kannte – das nervte ihn auch. Nicht zu wissen, wie das Haus der eigenen Mutter aussah. Sich zwischen seiner Mom und seinem Dad hinund hergerissen zu fühlen. Zu wissen, dass ein total langweiliges Wochenende vor ihm lag. Wo er so darüber nachdachte, gab es eine ganze Menge Sachen, die ihn nervten.
Die Fahrt schien kein Ende zu nehmen. Aber wenigstens der Ausblick war schön. Der Willow Lake war für Max so ziemlich das Beste an Avalon. Auf dem Grundstück seines Vaters gab es sogar einen Steg, was im Sommer perfekt war, um zu angeln oder Anlauf zu nehmen und in den See zu springen. Auch wenn das Wasser so kalt war, dass es einem die Eier und die Kopfhaut zusammenzog, war es toll, an einem heißen Tag schwimmen zu gehen.
Im Winter fror der See zu. Die Stadt hatte einen Inspektor, der das Eis regelmäßig überprüfte, um sicherzugehen, dass es mindestens zehn Zentimeter dick war. Max’ Dad und Stiefmutter erlaubten es nicht, an ihrem Hotel Schlittschuh zu laufen, weil sie nicht wollten, dass sich ihre Gäste verletzten. Er fragte sich, ob das Eislaufen am Haus seiner Mutter erlaubt war.
Seine Mutter hatte jetzt ein Haus in Avalon. Er hätte nie damit
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