Was der Winter verschwieg (German Edition)
wirklich eine wichtige Rolle in deinem Leben spielen und nicht nur die nette Lady sein, die ab und zu auftaucht, um dich zum Spielen mit deinen Freunden zu fahren.“
Vorsichtig zog sie ihren Finger zurück und nahm Charlie in den Arm. Ihr ganzer Körper zitterte vor Liebe, die sie für ihn empfand, für dieses winzige Wesen, das so unerwartet gekommen war und dessen Existenz jetzt Daisys ganze Zukunft bestimmte.
Er war nicht immer als Segen betrachtet worden. Als die Nachricht von Daisys Schwangerschaft die Runde machte, hatten einige Bekannte aus Manhattan Sophie ihr Mitleid ausgesprochen – ambitionierte Übermütter, die das Leben ihrer Kinder von der Geburt bis zur Hochzeit genauestens geplant hatten. Sie hatten sich benommen, als wäre jemand gestorben, und nicht, als würde bald ein neues Leben das Licht der Welt erblicken.
Oh Sophie, es tut mir so leid.
Die Plattitüden wurden beim Tee im St. Regis oder im Oak Room ausgetauscht.
Das muss so schwer für dich sein. All deine Pläne für Daisy, deine Hoffnung, einfach so … zunichtegemacht.
Sie legte das Baby wieder hin, erhob sich und sammelte das Spielzeug im Wohnzimmer ein. Bald hatte sie eine beeindruckende Sammlung aus weichen, quietschenden Sachen, bunten, knubbeligen Objekten und undefinierbaren Formen beisammen. Sie bot ihm eine Stoffpuppe an, deren flaches Gesicht ein freundliches Lächeln zierte. Er packte sie mit beiden Händen und steckte sie sofort, so weit es ging, in den Mund.
„Natürlich hatte ich Pläne für Daisy“, erzählte sie ihm, „Natürlich hatte ich Träume. Die hat jede Mutter. Sie hat die für dich auch, vertrau mir. Aber wenn sie klug ist, wird sie sie für sich behalten und dich dein Leben auf eigene Faust entdecken lassen.“ So klug war Sophie nicht gewesen. Sie hatte Daisy gesagt, was von ihr erwartet wurde: gute Noten, gute Schulen, eine bedeutungsvolle Arbeit, eine Ehe, die auf gegenseitiger Liebe und Respekt beruhte. Ein oder zwei geplante Kinder – und das alles genau in dieser Reihenfolge.
„Sie hat aber nicht zugehört“, gestand Sophie ein.
Das Baby warf die Puppe zu Boden. Sophie reichte ihm einen Plastikring, an dem bunte Objekte hingen. Er packte ihn und steckte auch ihn in den Mund, wie um damit seine Existenz zu bestätigen.
„Was das angeht – ich habe auch nicht zugehört. Das tut eine Mutter selten. Ich meine, sie hört mit ihrem Herzen zu und ignoriert dann alles, was sie nicht hören will. Wie die Tatsache, dass ein Mädchen, das wütend auf die Welt ist und rebelliert, Gefahr läuft, mit einem Jungen zu schlafen, ohne zu verhüten. Zumindest hatte Daisy genug Verstand, Logan O’Donnell nicht zu heiraten. Ich bin sicher, es gibt viele Leute, die sagen, irgendein Vater ist besser als keiner. Vielleicht haben sie recht, aber in diesem Fall vertraue ich Daisys Urteil. Es hätte niemals funktioniert, und sie war klug genug, das zu sehen. Beim Scheitern meiner Ehe mit Greg hatte sie einen Platz in der ersten Reihe und hat vermutlich festgestellt, dass es nie gut ist, aus den falschen Gründen zu heiraten.“
Charlie warf den Ring weg und nuckelte an seiner Hand, wobei er gurgelnde Geräusche von sich gab und Sophie betrachtete.
„Wenn du erst mal aufgehört hast zu weinen, bist du wirklich ein guter Zuhörer“, merkte Sophie bewundernd an. „Du passt besser auf als die meisten Erwachsenen, die ich kenne.“ Sie lächelte ihn an, weil er einfach so großäugig und weise aussah.
„Du hast grüne Augen und rote Haare“, sagte sie. „Das klassische Aussehen der Iren. Bist du es schon leid, das zu hören? Ich bin sicher, später wirst du ständig hören, du siehst aus wie dein Vater. Daisy hat erzählt, dass Logan dich jede Woche besuchen kommt, was mehr ist, als ich von ihm erwartet hätte. Andererseits kenne ich ihn ja auch nicht besonders gut.“
Sie bot Charlie ein Spielzeug an, das sie einige Monate zuvor in Deutschland gekauft hatte. Einen Ball, der einen sanften Ton von sich gab, wenn man ihn bewegte. „Das ist schon lustig“, überlegte sie laut. „Marian O’Donnell kam mir immer wie eine dieser perfekten Mütter vor. Sie war im Leben ihrer Kinder stets anwesend. Immer in der Schule, um freiwillig in der Bücherei oder dem Computerlabor mitzuhelfen. Sie war eine regelrechte Übermutter, eine von der Sorte, neben der ich mich immer unzulänglich gefühlt habe. Aber am Ende hat sie Logan auch nicht besser schützen können als ich Daisy.“
Charlie ließ auch das Spielzeug aus
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