Was der Winter verschwieg (German Edition)
sich so unglaublich richtig an. Vielleicht war ihre Sehnsucht, auf diese Art mit ihm zusammen zu sein, ein Teil des posttraumatischen Wahnsinns, der sie noch immer in seinen Fängen hielt.
Trotzdem. Sie hatte das Gefühl, etwas sagen zu müssen, solange noch Zeit war, dem Ganzen ein Ende zu setzen. „Es tut mir leid.“
„Nein, nicht“, sagte er. „Wage es ja nicht, dich zu entschuldigen.“ Er zog sich sein rotes Sweatshirt der Cornell University mit einer Hand über den Kopf und entblößte seine muskulöse, leicht behaarte Brust. Eine feine Linie Haare verlief gerade nach unten und verschwand im Bund seiner locker auf den Hüften sitzenden, verwaschenen Jeans. Der oberste Knopf war bereits geöffnet. Sophie stand kurz davor, sich Luft zuzufächeln, so heiß war der Anblick.
Sie zwang sich förmlich, die folgenden Worte auszusprechen. „Du solltest jetzt gehen. Bitte.“
„Du willst doch aber, dass ich bleibe.“
Für jemanden, den sie gerade erst kennengelernt hatte, schien er sie sehr gut zu kennen. „Das Gefühl wird vergehen, da bin ich mir sicher.“
„Warum solltest du das wollen?“ Er holte etwas aus seiner Tasche. „Nur damit du es weißt, ich habe etwas zum Schutz dabei.“
Sophie konnte nicht schwanger werden. Nach Max’ Geburt hatte sie sich die Eileiter abklemmen lassen, doch sie sagte nichts. „Darum geht es nicht. Das hier ist einfach verrückt.“ Was für ein schwaches Argument, das merkte sie selbst. „Sieh mal, wenn wir das hier wirklich vorhaben, sollten wir ehrlich darüber sprechen.“
„Warum? Damit du es dir ausreden kannst? Auf gar keinen Fall.“
Sie erstarrte, wollte widersprechen, sie beide aufhalten. Der Moment verging, und sie hatte nichts gesagt. Es gab keine Einwände, die Noah nicht widerlegen könnte. Keine Küsse, denen sie widerstehen könnte. In seiner Nähe fühlte sie sich wie ein von Hormonen gesteuerter Teenager, der den Sex für sich entdeckte. Es war einzigartig, spontan, ungehemmt, und wenn Sophie bei Noah war, gelang es ihr mit Leichtigkeit, einen Moment zu erleben, in dem alles andere egal war. Ihre Begegnung mit dem Tod in Den Haag hatte sie verändert. In der Vergangenheit hatte sie es vorgezogen, sich ihre Belohnungen für die Zukunft aufzuheben. Doch in der Hand der Terroristen hatte sie die vielen Male bedauert, in denen sie ihrer Sehnsucht nicht nachgegeben hatte, die Zeiten, in denen sie etwas aufgeschoben hatte, weil sie dachte, sie hätte noch alle Zeit der Welt.
Nein, sie hatte nicht alle Zeit der Welt. Sie hatte nur diesen Augenblick, das wurde ihr schlagartig klar. Sie fand es befreiend, sich einfach dem Moment hinzugeben. Nichts vorausgeplant zu haben, nicht an die Konsequenzen zu denken – das war ganz neu für sie. Sie hatte den tiefen Trost vergessen, den man in den Armen eines Mannes finden konnte. Oder vielleicht hatte sie ihn nie erfahren. Zumindest nicht so wie in diesem Moment.
11. KAPITEL
N oah lag zwischen einem Wust aus Decken und Laken, die Augen geschlossen, die Arme um Sophie Bellamy geschlungen. Er fühlte sich einfach wunderbar. So etwas hatte er seit viel zu langer Zeit nicht mehr gespürt – diese warme, entspannte Glückseligkeit nach dem Sex; ein Gefühl, bei dem man am liebsten die Zeit angehalten hätte, um es noch eine Weile genießen zu können.
Das Letzte, was er von jemandem wie Sophie Bellamy erwartet hätte, war, dass sie sich ihm so schnell hingeben würde. Doch von Anfang an hatte sie es geschafft, ihn zu überraschen. Es gab vieles, was er nicht über sie wusste, doch viel wichtiger war das, was er in ihr wiedererkannte – die Einsamkeit in ihren Augen, die seine eigene widerspiegelte. Die nicht zu leugnende, gegenseitige Anziehung, die keiner von ihnen zu verbergen vermochte. Also war es vielleicht nicht überraschend, dass sie die üblichen Datingregeln einfach übersprungen hatten.
Er öffnete die Augen und sah, dass es draußen immer noch hell war. Allerdings lagen schon die Schatten des Nachmittags über den Schneewehen. Er bemerkte, dass es ihm so gut ging wie nie; es war mehr als nur die wohlige Zufriedenheit, die sich nach dem Sex einstellte. Wie kam das? Was war hier los? Er betrachtete die Frau, die schlafend neben ihm im Bett lag.
Er hatte schon andere Frauen in den Armen gehalten. Aber mit Sophie … fühlte es sich irgendwie anders an, ohne dass er hätte sagen können, warum. Ihr Kopf lag in der leichten Kuhle zwischen seiner Schulter und seinem Schlüsselbein. Ihr seidiges blondes
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