Was der Winter verschwieg (German Edition)
Arbeitsplatte und öffnete eine Flasche Weißwein. „Schau, ich kenne dich nicht so gut, wie ich es gern hätte. Aber ich bin mir sicher, dass ich dich mag. Und der heutige Tag hat für mich vollkommenen Sinn ergeben.“
Sie schenkte Wein ein, während er das Essen auf den Tisch stellte. „Du sprichst so sachlich darüber. Liegt das daran, dass du so etwas andauernd tust, oder ist es einfach nur dein Naturell, die Dinge so zu nehmen, wie sie kommen?“
„Ich wähle Tor Nummer zwei.“ Er prostete ihr zu und trank dann einen Schluck. „Ehrlich, ich mache so was nicht andauernd.“
„Aber manchmal?“
„Nein. Nur … du hast so etwas an dir.“
Er war einfach großartig. Ehrlich gesagt sogar zu großartig, um allein unter lauter Tieren zu leben wie Dr. Doolittle.
„Bist du je verheiratet gewesen?“, fragte sie.
„Nein.“
„Das überrascht mich. Du bist so ein toller Mann, Noah. Das musst du doch wissen.“ Und ein Bindungsphobiker, vermutete sie. Da wäre er nicht der Erste.
„Ich habe keine Bindungsphobie, Miss Therapeutin“, sagte er.
Erst da merkte Sophie, dass sie es laut ausgesprochen hatte. „Tut mir leid. Bin ich zu neugierig? Zu sehr Anwältin?“
Er beugte sich vor. „Ich will dich auch besser kennenlernen, aber das alte Spiel der zwanzig Fragen zu spielen kommt mir irgendwie aufgesetzt vor.“
„Was schlägst du stattdessen vor?“
„Wir wäre es, wenn wir einfach Zeit miteinander verbringen und schauen, was dabei herauskommt?“
„Weil …“ Sie wusste nicht, wie der Satz weitergehen könnte. Mit so etwas hatte sie so überhaupt keine Erfahrung. „Ich habe so etwas noch nie gemacht. Also einfach mit jemandem Zeit verbracht. Ich bin mir nicht sicher, wie das geht.“
Er schenkte ihr Wein nach und bot ihr einen Nachtisch an. „Mystic Mints“, sagte er und schob ihr eine gefährlich aussehende Packung zu. „Sie werden dein Leben verändern.“
„Nein danke.“
„Ich mach dir einen Vorschlag. Wie wäre es, wenn wir unsere Unterhaltung fortsetzen, während ich füttere?“
Sie schaute auf die leeren Teller. „Hast du das nicht gerade?“
„Nicht futtere,
füttere
. Ich meinte die Pferde.“
„Du hast Pferde?“
„Ja, schon immer. Bei vielen der Tiere, die bei mir wohnen, war es gar nicht vorgesehen, dass sie hier bleiben. Die meisten konnte ich an neue Besitzer vermitteln. Einige jedoch sind nicht wirklich vermittelbar. Und wieder andere – na ja, beinahe alle – haben mir einfach das Herz geraubt.“ Er errötete; es war ihm offensichtlich ein wenig peinlich, so sentimental geworden zu sein. „Reitest du?“
„Früher einmal. Das ist aber schon lange her.“ Wie alle Mädchen hatte Sophie als Kind und Teenager Pferde geliebt. Bis zu ihrem siebzehnten Lebensjahr war ihre beste Freundin Misty gewesen, ein wunderschönes Warmblut, das in einem Mietstall stand und auf dem sie jeden Tag ausgeritten war, selbst bei schlechtem Wetter, wenn sich niemand anderes vor die Tür gewagt hatte. Das waren die schönsten Stunden ihres Lebens gewesen – sie allein mit ihrem Pferd und alle Sorgen der Welt ganz weit weg. Als Misty starb, war Sophie untröstlich. Sie weinte so sehr über diesen Verlust, dass sie krank wurde. Ihre Eltern hatten zwar Mitleid mit ihr, konnten ihre Bindung zu Misty jedoch überhaupt nicht nachvollziehen. Schließlich war sie doch „nur“ ein Tier gewesen. Sie rieten Sophie, sich emotional nicht mehr so stark zu binden, und warnten sie, dass alles irgendwann unweigerlich ein Ende hätte. Sophie nahm sich die Lektion zu Herzen und fing mit dem Schwimmen an – einem sehr einsamen Sport. Es war gefährlich, etwas zu lieben, das sterben konnte – eine Tatsache, die völlig außerhalb ihrer Kontrolle lag. Deshalb ging sie nie wieder auch nur in die Nähe eines Pferdes oder anderen Haustiers.
Zu ihrer Erleichterung fragte Noah nicht weiter nach. Er bestand darauf, dass sie warme Skihandschuhe anzog und die Stalljacke seiner Schwester, dann gingen sie gemeinsam nach draußen, wo die Dämmerung sich noch mit violetten Fingern an den Rand der hereinbrechenden Nacht klammerte. Es war eine dieser seltenen, perfekten Winterszenen. Ein kristallklarer Himmel, dessen Sterne und Mond die Landschaft in ein beinah überirdisches Licht hüllten. Die Konturen des Schnees warfen geheimnisvolle Schatten, die von tiefer Stille aufgefangen wurden. Die Hunde begleiteten sie. Rudy tobte durch den frisch gefallenen Schnee, während der Welpe ihm tapsig hinterhertrottete.
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