Was Die Liebe Naehrt
Gefühle achten. Wir
fallen dann aus allen Wolken, wenn er auf einmal sagt, er habe das Gefühl, wir würden ihn nicht mehr lieben, wir würden ihn übersehen, er fühle sich
allein gelassen und verletzt. Das Achten auf die eigene Seele und auf die Regungen der Seele des anderen ist ein wesentlicher Bestandteil der täglichen
Beziehungsarbeit.
Für manche ist der Begriff der Beziehungsarbeit negativ besetzt. Er klingt zu sehr nach Mühe. Die Schauspielerin Birgit Minichmayr wurde in einem
SZ-Interview einmal danach gefragt. Sie antwortete: Beziehungsarbeit »löst bei mir keinen Schrecken aus. Vielleicht deshalb, weil ich Arbeit nie als
negativ empfinde. Warum soll man nicht für die Liebe arbeiten? Wenn nicht dafür, wofür bitte dann?«
Für mich besteht die Beziehungsarbeit vor allem im spirituellen Weg der Achtsamkeit. Aber sie kann sich auch in konkreten Übungswegen ausdrücken.
Hans Jellouschek hat für diesen Übungsweg konkrete Ratschläge gegeben. Sie scheinen zunächst auf der rein therapeutischen Ebene zu liegen. Aber dass
ich mich überhaupt auf die tägliche Beziehungsarbeit einlasse, ist jaschon eine spirituelle Aufgabe. Manche entziehen sich der
Beziehungsarbeit, indem sie lieber an den anderen Forderungen stellen. Sie sagen ihm, wie er zu sein hat. Sie klagen ihn an, dass er nicht einhält, was er
verspricht. Aber sie sind nicht bereit, sich auf gesunde und klärende Regeln des Zwiegesprächs einzulassen oder an ihrer Beziehung konkret zu
arbeiten. Ich möchte nur zwei dieser Übungsaufgaben anführen, die Hans Jellouschek beim Thema Selbstverwirklichung und Hingabe einem Ehepaar gibt.
Die erste ist das Ritual des Gastgebers. Das Ehepaar hält sich an folgendes Ritual: Einmal in der Woche lädt der eine den anderen zum Gespräch ein. Der
Einladende ist der Gastgeber, der dem anderen gleichsam als Gast seine eigene Welt zeigt und von sich erzählt. Der andere hört nur zu. Er kann nachfragen,
aber er darf nicht in Frage stellen und nicht bewerten, was der andere sagt. In der nächsten Woche wechseln die beiden ihre Rollen. Auf diese Weise spüren
sie, was den anderen wirklich bewegt. Sie haben teil an seinem Leben. Sie werden aufmerksam für sein »Anders-Sein«.
Die zweite Übungsaufgabe, die Jellouschek einem Paar stellt: »Jeder bekommt die Aufgabe, im Laufe der Woche einmal eine Initiative für eine gemeinsame,
möglichst lustvolle Unternehmung zu ergreifen, zu einem gemeinsamen Kinobesuch oder einem gemeinsamen Essen und Ähnlichem. Der andere wird aufgefordert,
sich dieser Initiative anzuschließen, ohne Einwände zu erheben. Er soll einfach mitmachen, was der andere vorschlägt.« Solche konkreten Aufgaben üben uns
ein in die spirituelle Haltung der Hingabe. Statt Hingabe zu fordern, wird sie einfach eingeübt.Das ist letztlich eine spirituelle
Praxis. Denn auf diese Weise übe ich ein, frei zu werden von dem Terror meiner eigenen Bedürfnisse. Ich lasse mich konkret ein auf den anderen und erfahre
mich selbst auf ganz neue Weise. Und der erfahrene Therapeut konstatiert: »Manche Paare machen dabei eine fundamentale neue Erfahrung: Ich verliere mich
nicht, im Gegenteil, ich gewinne.«
Viele Partner beklagen sich, dass die Beziehung sich schwierig gestaltet. Aber sie sind oft nicht bereit, für die Beziehung etwas zu investieren. Es
braucht auch Arbeit, es braucht einen Übungsweg, damit die Beziehung gelingt. Konkrete Rituale sind dabei eine wichtige Hilfe, dass die Beziehung lebendig
bleibt. Viele Ehepaare sind da sehr einfallsreich. Sie entwickeln selbst Rituale, um für ihre Beziehung Zeit zu reservieren und um die wichtigsten Themen
der Beziehung anzusprechen. Oder aber das Ritual lädt zu einem Tun ein, das die Beziehung vertieft. Manchen scheinen diese Rituale zu äußerlich zu
sein. Aber in Wirklichkeit sind Rituale der Ort, an dem Gefühle geäußert werden, die sonst nie geäußert werden. Rituale vertiefen die Beziehung. Und sie
schaffen Identität. Sie vermitteln dem Ehepaar das Gefühl: Wir leben unser eigenes Leben. Wir gestalten es. Wir haben Lust daran.
Beziehung und Spiritualität:
Vier Wege der Einübung
Ein Lamento über die Beziehungslosigkeit des heutigen Menschen führt nicht weiter. Wichtig sind Hilfen, die Beziehungsfähigkeit zu
lernen. Noch einmal: Es gibt keinen schnellen Trick, beziehungsfähig zu werden. Durch moralisierendes Einfordern entsteht keine gute Beziehung. Es braucht
einen behutsamen Weg der
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