Was Die Liebe Naehrt
Beziehung übertragen. Die Achtsamkeit ist auch für den gemeinsamen Übungsweg der Ehe eine
entscheidende Haltung.
Achtsamkeit fängt bei den alltäglichen Dingen an. Damit die Beziehung gelingt, bedarf es eines achtsamen Umgangs mit den ganz alltäglichen Dingen. Das
beginnt bei der Organisation des Haushalts, das zeigt sich in der pünktlichen Einhaltung zum Beispiel der Abendessenszeiten, damit niemand unnötig warten
muss. All diese alltäglichen Tugenden wie Pünktlichkeit, Verlässlichkeit, Klarheit, Ordnungsliebe, Reinlichkeit scheinen banal zusein. Aber gerade darin zeigt sich die Liebe zwischen Mann und Frau konkret. Für Benedikt zeigt die Realitätskontrolle des Alltags, ob
jemand wirklich ein spiritueller Mensch ist oder ob er nur vor dem Chaos seines Alltags in die Spiritualität flüchtet. Manchmal höre ich das in
Begleitungsgesprächen: Die Frau geht einen spirituellen Weg. Aber die täglichen Aufgaben vernachlässigt sie. Oder der Mann meditiert täglich, um sich den
Hausarbeiten zu entziehen. Er meint, er brauche nach der Arbeit die Meditation, um wieder ganz bei sich anzukommen. Doch er merkt gar nicht, wie er die
Frau allein lässt. Eine gesunde Spiritualität drückt sich darin aus, dass ich den Alltag mit seinen Aufgaben und Pflichten ernst nehme. Darin zeigt sich
konkret meine Hingabe an den Ehepartner.
Auch für die Eheleute gilt das Wort Benedikts an den Cellerar, er solle immer auf seine Seele achten. Das bedeutet für die Partner, dass sie auf ihre
Gefühle achten. Sie können sich fragen: Wo schleicht sich in mir Unzufriedenheit ein? Wo verschließe ich mich innerlich? Wo unterdrücke ich Gefühle des
Gekränktseins? Wo spüre ich Ablehnung in mir oder inneren Widerstand gegen das, was der andere gerade sagt oder tut? All diese Gefühle dürfen sein. Aber
sie wollen angeschaut werden. Die psychologisch sehr klugen alten Mönchsväter sagen: Ich bin nicht verantwortlich für die Gefühle, die in mir auftauchen,
sondern dafür, wie ich mit ihnen umgehe. Indem ich das Gefühl der Unzufriedenheit anschaue, kann ich mich fragen, warum ich unzufrieden bin. Habe ich mir
von meinem Partner etwas anderes erwartet? Sind meine Erwartungen an ihn realistisch? Oder hänge ich da irgendwelchen Illusionennach?
Ist die Unzufriedenheit eine Einladung, den anderen so anzunehmen, wie er konkret ist? Oder aber ist sie Anlass, über unsere Beziehung zu sprechen, nicht,
indem ich dem anderen Vorwürfe mache, sondern indem ich über mein Gefühl rede und zugleich überlege, wie wir unsere Beziehung intensiver gestalten können?
Wenn Gefühle des Gekränktseins zu lange unterdrückt werden, werden sie in mir zur Bitterkeit. Wenn ich auf sie achte, entdecke ich vielleicht meine eigene
Verletzlichkeit, meine empfindlichen Stellen, mit denen ich mich aussöhnen muss. Oder aber ich kann dem anderen sagen, dass ich mich bei diesen Worten
oder diesem Verhalten gekränkt fühle. Es ist dann kein Vorwurf, sondern eine Information. Wir können dann darüber sprechen, ob es mehr meine
Empfindlichkeit ist oder ob der andere seine Verletzungen weitergibt oder ob die kränkenden Worte Reaktion auf seine Kränkung durch mich sind. Die
Achtsamkeit auf die Gefühle führt zu einem intensiveren und offeneren Austausch. Aber auch hier gilt der Grundsatz, dass es keine absolute Offenheit
gibt. Es bedarf der discretio , der Gabe der Unterscheidung, die der hl. Benedikt als die Mutter aller Tugenden bezeichnet. Ich soll spüren,
wo ich über die Gefühle rede und wo ich sie lieber persönlich verarbeite.
Achtsamkeit bedeutet dann auch, achtsam mit dem Partner umzugehen. Viele Frauen erzählen mir im Gespräch, dass ihr Mann überhaupt nicht wahrnimmt, wie
es ihnen geht. Er fragt nicht nach und lebt einfach seinen Trott. Die Frau hat dann das Gefühl, er habe kein Interesse an ihr. Aber sie fragen auch ihn
meist nicht, was ihngerade beschäftigt. Sie könnten ja auch auf ihn achten und darauf, was in seiner Seele gerade vor sich geht. Und
sie könnten ihn fragen, wie es ihm geht. Wenn er dann im Gespräch meint, es gehe ihm gut, er wisse gar nicht, was die Frage soll, dann kann sie ihm ihren
Eindruck mitteilen. Sie hält ihm dann einen Spiegel vor. Nicht um ihn bloßzustellen, sondern liebevoll, um ihm zu helfen, sich der eigenen Wahrheit zu
stellen und mehr auf die eigene Seele zu achten. Oft haben wir so sehr mit uns zu tun, dass wir gar nicht auf den anderen und seine
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