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Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Titel: Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Doughty
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Wohnpark auch ist, die Bungalows sind hell und großzügig, genau das Richtige für Leute, die einen Neuanfang wagen. Als ihr Baby da war, habe ich ihnen eine Glückwunschkarte gekauft. Viel Spaß mit eurem Neuankömmling , stand in verschnörkelten Lettern darauf. Alles Liebe von Laura, Betty und Rees , schrieb ich mit Kuli darunter. Betty und Rees schlug ich vor, Bilder von ihrem neuen Brüderchen zu malen, die ich der Karte beilegte. Als ihr Vater kam, um sie zum Babygucken abzuholen, gab ich ihm ein Körbchen mit Pflegeprodukten, die ich für Chloe im Angel Shop an der Strandpromenade gekauft hatte. Die Überraschung stand ihm ins Gesicht geschrieben, als er es entgegennahm. Alle Sachen im Korb waren weiß – weiße Seife, weiße Körperlotion, ein flauschiger weißer Waschlappen –, alles in Klarsichtfolie verpackt, mit einer breiten weißen Schleife drumherum. Nach einem kurzen Blick auf den Korbinhalt breitete sich allmählich ein anerkennender Ausdruck über sein Gesicht.
    Ich konnte ihm nicht in die Augen sehen. »Du kümmerst dich doch jetzt gut um sie, nicht?«, sagte ich.
    Nachdem er mit Betty und Rees weggefahren war, machte ich mir eine Tasse Kaffee, setzte mich damit und mit einer angebrochenen Kekspackung an den Küchentisch und schaute aus dem Fenster. Der salzige Küstenwind fegte kreuz und quer durch alle Ecken meines Gartens. Hier in der Gegend ist der Wind wie Schmirgelpapier. Ich schaute einfach immer weiter ins Nichts, auf das Geheul des Tages. Zweige vom Kirschbaum kratzten und schabten an unserer Hintertür, wie ein vernachlässigtes Haustier, das Einlass begehrt. Diesen Baum hätte man nie und nimmer so nah ans Haus pflanzen dürfen. Knapp drei Kilo, zweiunddreißig Stunden Wehen, gefolgt von einer Saugglockengeburt. Ich fragte mich, ob sie einen Dammschnitt gesetzt hatten oder ob sie es auf Risse ankommen ließen. Bei Saugglocken war Dammschnitt früher reine Routine, aber heute herrschen andere Sitten. Bei Betty bin ich schlimm gerissen, so schlimm, dass ich bei Rees wieder riss, am Narbengewebe entlang. Im Unterschied zu Muskeln kann sich Narbengewebe nicht erinnern, was früher mit ihm war. Es ist hart und dumm.
    Weder mein Exmann noch seine Freundin gehen ans Telefon. Ich stelle mir Chloe vor, wie sie sich mit dem Baby auf dem Arm über den Apparat beugt, meine Nummer im Display sieht und beschließt, nicht ranzugehen. Das kommt vor. Ich lege auf, ohne eine Nachricht zu hinterlassen, und rufe David auf seinem Handy an, doch da meldet sich sofort die Mailbox.
    Der Kollege der Polizistin holt meine Nachbarin Julie, damit sie sich um Rees kümmert. Rees geht mit Julies kleinem Sohn Alfie in den Kindergarten und kennt sie gut, doch sobald sie zur Haustür hereinkommt, sieht er erst mich, dann die Polizisten an und bricht in Tränen aus, so als fielen ihm erst jetzt deren Uniformen auf. Julie muss ihn unter Geschrei und Getrete aus unserem Haus tragen. Sie sieht mich nicht an, aber während sie geht, sehe ich, dass auch ihr die Tränen über die Wangen laufen. Ich überlege, ob sie irgendetwas bedrückt und ob es eine zu große Zumutung ist, ihr ausgerechnet jetzt Rees aufzubürden. Dann begreife ich, warum sie weint. Ich begreife es zwar, weiß es aber immer noch nicht. Offenbar hängt mein Bewusstsein in einer Art Warteschleife. Ich bin sehr, sehr ruhig.
    Ich gehe in die Küche, nehme meine Handtasche vom Tisch, der noch übersät ist von Plastiktellern mit Reis und Erbsen – zurzeit das Einzige, was Rees mag – plus einem traurigen Haufen verknitterten Papiers und Gelstiften, Bettys Gelstiften, ihr neues Set in Neonfarben. Rees hat die Abwesenheit seiner großen Schwester genutzt, in der Hoffnung, bei ihrer Rückkehr einen diplomatischen Zwischenfall auszulösen. Ich mache das Licht aus, bevor ich in den Flur zurückkehre, wo ich meine Jacke vom Garderobenständer am Fuß der Treppe nehme. Ich möchte unbedingt alles richtig machen, wenn ich das Haus verlasse. Ich möchte möglichst rasch in ihr Fahrzeug gelangen. Ich will zu Betty.
    Ich steige hinten in das Polizeiauto ein und schnalle mich gewissenhaft an. Mir fällt auf, wie sauber der Innenraum ist – kein Wagen, in dem regelmäßig Kinder transportiert werden –, und ein Teil meines Hirns bemerkt das nicht nur, sondern weiß es sogar zu schätzen. Erst als wir aus unserer Straße biegen, fällt mir ein, mich vorzubeugen und zu fragen: »Was ist mit Willow? Wie geht es Willow?«
    »Willow ist auf der Intermediate Care Station«,

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