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Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Titel: Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Doughty
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die Musik konzentrierte. Dann näherte sie sich derselben Stelle, der, an der sie im Stück fortfahren sollte, doch stattdessen rutschte sie erneut anmutig zu den Anfangsakkorden zurück. Ich spürte, wie ich stellvertretend für sie rot wurde, und sah mich um. Bestimmt merkte es keiner außer mir und ihrer Mutter, die ganz vorne saß, sicher mit gerunzelter Stirn. Drei- anstatt zweimal – das war kein Weltuntergang.
    Als Jenny wieder an dieselbe Stelle in der Musik kam … sprang sie nochmals an den Anfang zurück. Nachdem sie dieselben zwei Menuettzeilen fünfmal wiederholt hatte, hörte sie auf, nahm die Hände von den Klaviertasten und brach in Tränen aus.
    Später erzählte sie mir: »Ich hatte die Wiederholung so lange geübt, immer und immer wieder, bis meine Finger nichts anderes mehr spielen wollten. Ich musste einfach abbrechen. Nur so konnte ich da überhaupt je rauskommen.«
    Wir waren grüblerische Teenager, das verband Jenny und mich. Ihr Vater war Japaner und glänzte durch Abwesenheit. Meiner war tot. Wir setzten alles daran, den anderen dreizehnjährigen Mädchen geistig überlegen zu sein, schmiedeten Selbstmordpläne und trugen Leihbücher mit Titeln wie Suaheli für Anfänger unter dem Arm. Wir fläzten uns auf Jennys Bett, naschten KitKats und gaben uns als Nihilistinnen aus. Ich durchlief eine Phase, in der ich Verse aus dem Buch Hiob abschrieb und gut sichtbar für die anderen Mädchen an meine Spindtür im Aufenthaltsraum heftete. Ich legte es darauf an, sie zu irritieren.
    Denn ich fürchtete einen Schrecken, und er traf mich,
    und wovor mir bangte, das kam über mich.
    Ich hatte nicht Rast noch Ruh, noch Frieden –
    da kam eine Peinigung.
    Das Buch Hiob , 3:25/26
    Was Eindruck auf einen macht, wenn man zwölf, dreizehn, vierzehn ist, das setzt sich fest. Weite Strecken meiner Schulbildung habe ich vergessen, doch eine Szene steht mir deutlich wie am ersten Tag vor Augen: das Grau und Weiß unseres Aufenthaltsraums, Jenny Ozu weinend in einer Ecke, weil ihre Mutter sie an dem Morgen wieder geohrfeigt hatte, und ich, wie ich an einem Pult sitze und mit schwarzem Filzstift Verse aus dem Buch Hiob abschreibe, wie wild darauf versessen, unsere glücklicheren Mitschülerinnen aufzurütteln. Bei meiner Mutter, einer Witwe, war vor Kurzem die Parkinson-Krankheit diagnostiziert worden. Ich war Einzelkind. Jenny und ich konnten Ungerechtigkeit absolut nicht ausstehen – das verband uns fester, als jedes gemeinsame Hobby das je geschafft hätte.
    Wenn ich auch im Recht wäre, mein Mund würde mich verurteilen;
    wäre ich auch ohne Fehl, er würde mich schuldig sprechen.
    Ich bin rechtschaffen. Ich weiß es selbst nicht.
    Das Buch Hiob , 9:20/21
    Mit fünfzehn hatte ich Übung im Inkontinenzbindenwechseln bei meiner Mutter. »So, Mum, jetzt wischen wir dich ab, okay? Wie heißt das Reh mit Vornamen?« Meine anderen Schulfreundinnen außer Jenny – meine sogenannten Freundinnen, die mich in ihrer Nähe duldeten, weil sie neben mir cool und attraktiv aussahen – rührten hausgemachte Gesichtsmasken aus Joghurt an und tauschten sich über mechanische Methoden der Empfängnisverhütung aus. Ich lernte, dass es für meine Mutter ratsam war, auf Proteine in ihrer Mittagsmahlzeit zu verzichten, weil diese die Wirkung der Dopamine beeinträchtigen konnten. Sie hatte bereits Schwierigkeiten mit der Artikulation, obwohl sie noch mit den Lippen »Kartoffelpü« formen konnte.
    Die Bezirkskrankenschwester kam einmal die Woche vorbei. Sie mochte ich noch weniger als die Sozialarbeiterin, die zwar Kniestrümpfe trug, aber wenigstens nicht andauernd Schätzchen zu mir sagte. Was der Sozialarbeiterin an Pfunden fehlte, machte die Bezirkskrankenschwester doppelt und dreifach wett. Sie trug hautenge Pullis, und ihre Brüste setzten eine Handbreit tiefer als eigentlich vorgesehen an ihrem Körper an. Ich sah in ihr eine Vorwarnung, eine Rippenstrickpullover-Ausgabe dessen, was aus mir werden konnte, wenn ich mich nicht von Käsekuchen fernhielt und einen weiten Bogen um helfende Berufe machte. Ihr Dauerlob brachte mich an den Rand des Wahnsinns. »Meine Güte«, sagte sie zum Beispiel, während sie zusah, wie ich die Tabletten meiner Mutter abzählte und in ihre Pillendose steckte. »Ich hab Schwesternschülerinnen, die sind zehn Jahre älter als du und lange nicht so gut organisiert. Aus dir wird mal eine wahnsinnig tüchtige kleine Krankenschwester, Schätzchen.«
    Sie war nicht die Einzige, die davon aussging,

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