Was du nicht weißt: Roman (German Edition)
Querée fragte schließlich: »Weiß man, warum er seine Opfer nicht einfach ins Meer geworfen hat? Warum hat er sie jedes Mal auf so perverse Art und Weise an Land versteckt? Das verstehe ich nicht.«
»Eine schlüssige Erklärung können uns wahrscheinlich erst die Gutachter liefern«, meinte Willingham. »Kinross selbst behauptet, er hätte das Meer damit nicht beschmutzen wollen.« Er hob seufzend die Hände. »Ob das stimmt? Jedenfalls hat er Debbie Farrows Leiche mit seinem kleinen Rettungsboot in den alten Hafen hinter der Kirche von St. Brelade’s Bay gebracht. Offenbar hatte er mitbekommen, dass dort die Bäume eingepflanzt worden waren und … Na ja, den Rest kennen wir ja alle.«
»Und warum war Kinross noch einmal in Debbies Wohnung?«, fragte Frank Guiton.
»Er behauptet, weil er nach den Papieren suchen wollte, die Debbie dort angeblich versteckt hatte. Der Psychiater, der ihn gestern untersucht hat, ist aber der Meinung, er war dort, weil es ihn in Debbies Leben zurückgetrieben hat. Kinross ist ein Psychopath. Bei Menschen wie ihm verstehen wir vieles nicht. Warum hat er zum Beispiel später Constance verschont? Er behauptet aus Mitleid. Aber der Psychiater sieht darin eher seinen Wunsch nach der Macht über andere … Wer weiß das schon?«
Frank Guiton fuhr sich durch die dunklen Haare. Es sah aus, als hätte er Kopfweh, doch er brauchte nur ein wenig Zeit, um die Erinnerung an Debbie von dem Gehörten zu lösen. Sandra spürte es. Verständnisvoll streckte sie ihren linken Arm nach ihm aus. Frank sah es und ergriff dankbar ihre warme Hand. Ihr bezauberndes Lächeln machte ihm Mut.
Willingham wollte nicht länger stören. »Ich muss los. Detective Inspector Waterhouse braucht noch eine Unterschrift von mir.« Er stand auf.
Sandra sah zu ihm hoch. »Sie hat mir gestern Pralinen geschickt. Hätten Sie das von ihr gedacht?«
Willingham überlegte. »Ja, doch, eigentlich schon. Sie ist ganz in Ordnung, wenn sie nicht gerade unter Druck steht. Und gerade in diesen Minuten …« Er blickte auf seine goldene Schweizer Uhr. »… muss sie noch eine heikle Sache hinter sich bringen.«
»Noch ein Verhör?«
Er schüttelte den Kopf. »Mrs. Bloom hat darauf bestanden, ihrem Ex-Mann gegenüberzutreten …«
Richard Bloom saß hinter einer Glasscheibe, bewacht von einem uniformierten Beamten. Seine Stimme kam über einen kleinen Lautsprecher, der rechts oberhalb der Scheibe in die Wand eingelassen war.
Auf Emilys Seite des dicken Panzerglases gab es nur den unbequemen Stuhl, auf dessen Rückenlehne der Name des Gefängnisses aufgedruckt war. Ansonsten war der Raum leer.
Die Atmosphäre war beklemmend. Wenn Emily nicht gewusst hätte, dass hinter ihr in der Ecke Detective Inspector Waterhouse stand und die Situation überwachte, wäre sie vermutlich wieder geflohen.
Sie hatte Zeit genug gehabt, sich an Richards verändertes Aussehen zu gewöhnen. Doch es fiel ihr immer noch schwer, in seine braunen Augen zu blicken und zu wissen, dass er bereit gewesen war, ihr Leben zu ruinieren.
Durch den Lautsprecher wirkte seine Stimme fern und etwas blechern.
»Ich muss dir nicht sagen, wie groß meine Schuldgefühle sind, Emily. Das kannst du dir ja denken …«
Sie versuchte, keine Regung zu zeigen. »Mach mir nichts vor. Vermutlich sind die einzigen Gefühle, die du noch kennst, Selbstsucht und Gier«, sagte sie starr. »Oder weshalb sonst hast du damals alles weggeworfen?«
»Die ganze Geschichte mit Mary-Ann … und der fingierte Unfall auf dem Schiff … das ging nie gegen dich, Emily. Mein Leben war einfach zu einer Falle geworden …« Er räusperte sich. »Diese verdammte Enge der Insel … unsere Geschäfte, die nicht so richtig liefen …«
Emily fiel ihm ins Wort. »Und deine reichen Freunde, die dir das Gegenteil vorgelebt haben, nicht? Trevor de Sagan, Alex Flair … und du warst dabei!«
»Ja, verdammt! Ein paar Mal habe ich versucht, mit dir darüber zu reden.« Er lachte auf. »Was heißt ein paar Mal? Ich weiß noch, wie wir damals Ostern darüber gesprochen haben. Wie es wäre, wenn wir nach England oder Frankreich gingen. Aber meine Träume sind an dir vorbeigerauscht wie … Schnellzüge!«
Emily schwieg. Betroffen erkannte sie, dass er damit ihre schlimmste Befürchtung ans Tageslicht geholt hatte: dass sie eine Mitschuld an seinem Verschwinden trug. Sie wusste, dass sie zu diesem Zeitpunkt sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen war. Die rätselhaften Gedächtnisattacken, die ihr
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