Was du nicht weißt: Roman (German Edition)
gekrümmte Körper einer jungen Frau mit dunklen Haaren. Unter ihrem Oberkörper ragte das Ende eines öligen Wagenhebers hervor. Sie trug Jeans und ein grünes T-Shirt, auf dem das Blut riesige schwarze Flecken hinterlassen hatte. Ihre starren Augen waren weit aufgerissen.
Er musste kein zweites Mal hinschauen, um Gewissheit zu haben, dass der Taxifahrer ihm soeben eine Tote serviert hatte. Wenn das kein Mordopfer war, würde er die Weinflaschen in der Tüte freiwillig austrinken.
Zögernd blickte Willingham zu Gwyneth Trollop hinüber, die mit verschränkten Armen unter einem Baum stand und ihm still zulächelte.
Zynisch fragte er sich, was jetzt wohl besser wäre – die Kofferraumklappe einfach wieder zu schließen, mit seinem Wein auf dem Rücksitz Platz zu nehmen und seinen noblen Abschied für immer in guter Erinnerung zu behalten, oder seinem Nachfolger Edward Waterhouse ein bisschen Arbeit zu bescheren, denn dieser Mordfall würde unweigerlich auf dessen neuem Schreibtisch landen.
Er entschloss sich, seinen moralischen Prinzipien treu zu bleiben. Heftig winkend signalisierte er Gwyneth Trollop, dass sie rasch zum ihm kommen solle.
Es war bitter, aber wie es aussah, war der Rest dieses schönen Abends für ihn gelaufen.
Die überschaubare, bis auf ein paar harmlose Wochenendschlägereien und Drogendelikte recht friedliche Welt auf Jersey hatte einen Riss bekommen. Es war, als hätte über Nacht eine riesige Welle die Kanalinsel überrollt und Ratlosigkeit zurückgelassen. Der brutale Mord war eine Bedrohung der Sicherheit, wie man sie sonst nur vom Festland kannte. Für das behagliche Landleben hinter den Hecken und Steinmauern der Cottages konnte es nichts Schlimmeres geben.
Auch wenn man in der Hauptstadt St. Helier – dort, wo die Leiche gefunden worden war – sehr viel realistischer mit dem Mordfall umging, sorgten vor allem die ständigen Fernsehberichte für zusätzliche Anspannung in den Pfarrbezirken. Am besten brachte es der eiserne alte Mr. Buckley auf den Punkt, als er frühmorgens am Hafen von St. Aubin seine Zeitung kaufte.
»Es geht los«, sagte er, »Europa kommt immer näher.«
Jeder wusste, dass Buckley 1940 besonders tapfer gegen die Besetzung der Insel durch die Deutschen gekämpft hatte und daher eine Menge von Gefahr verstand.
Vor allem den Frauen machte der Mord Angst. Die propere Mrs. La Pierre, deren Familie im Hinterland von St. Aubin die berühmten kleinen Jersey Royal züchtete – winzige wohlschmeckende Kartoffeln, die ebenso zum Ruhm von Jersey beigetragen hatten wie die Strickwaren, die Tomaten und die Kühe –, organisierte mit ihren Freundinnen noch am selben Vormittag, als die Tat bekannt wurde, einen Selbstverteidigungskurs bei John Lee, dem jungen, muskulösen Tai-Chi-Lehrer des Sportclubs.
Die Einzige in der Gegend, die auch künftig an der guten alten Sitte festhalten wollte, die Türen ihres Farmhauses niemals abzuschließen, war die selbstbewusste Helen Keating. Ihr gehörte eine der beiden Lavendelgärtnereien auf Jersey, ein großes Gelände bei St. Ouen. Da sie nach Feierabend ehrenamtlich das Zeitungsarchiv des Jersey-Museums in Schuss hielt, beruhigte sie alle, indem sie versicherte, dass es früher bereits viel schlimmere Verbrechen auf Jersey gegeben hatte. Doch bis auf Mrs. Bloom, ihre beste Freundin, wollte niemand eine so nüchterne Einschätzung hören. Stattdessen brannte jeder darauf, endlich neue Details des Kriminalfalles serviert zu bekommen.
Selbst zwei Tage nach dem Verbrechen gab es morgens im hellblauen Bus nach St. Helier keinen Fahrgast, der nicht in seine Zeitung vertieft war und den Polizeibericht las. Man hatte den Mörder immer noch nicht gefasst.
Debbie Farrow saß wie jeden Tag in der ersten Reihe hinter dem Busfahrer, diesmal auffallend schweigsam mit ihrer Zeitung beschäftigt. Sie stammte aus St. Brelade’s Bay, genauso wie der Mann hinter dem Lenkrad, mit dessen Tochter sie zur Schule gegangen war. Normalerweise unterhielt sie sich während der Fahrt mit ihm, doch heute hatte sie keine Lust zu reden. Wie gebannt verschlang sie den neuesten Artikel über das schreckliche Verbrechen.
Während sie las, bewegten sich ihre blonden Haarspitzen im Fahrtwind. Die frische Luft drang durch das offene Schiebefenster über ihr herein und wehte leicht über die Seiten ihrer Zeitung. Niemand sagte etwas. Mit konstantem Brummen, als wollte der Fahrer die angestrengte Lektüre seiner Gäste nicht durch unnötige Motorgeräusche stören,
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