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Was ich dir noch sagen will

Was ich dir noch sagen will

Titel: Was ich dir noch sagen will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofie Cramer
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hatte. Und er auch nicht reagierte, nachdem sie sich überwunden und ihm einen romantischen, aber letztlich entwürdigenden Brief geschrieben hatte.
    Aber heute kam es Lisa irgendwie albern vor, sich ausgerechnet bei ihrer Mutter über die Probleme in ihrer Ehe auszulassen, von denen sie nicht einmal selbst sagen konnte, ob es tatsächlich welche waren oder sie sich aus einer diffusen Angst heraus bloß in etwas hineinsteigerte.
    «Und uneigentlich?», fragte Irene weiter.
    «Ach, ich weiß auch nicht … Ich hab das Gefühl, dass Erik mich nicht mehr richtig an sich ranlässt.» Lisa griff nach einer weiteren Praline. Fein säuberlich strich sie das golden glänzende Papier auseinander und faltete daraus einen kleinen Papierflieger.
    «Du meinst im Bett?»
    «Mama!» Lisa verzog die Mundwinkel und blickte ihre Mutter empört an.
    «Schon gut. Du musst nicht darüber reden, wenn du es nicht möchtest», entgegnete Irene ruhig, ohne Wertung in der Stimme.
    Nach einer kurzen Pause, in der Lisa eine weitere Schokolade verdrückt und dabei versucht hatte, ihre vielen wirren Gedanken zu ordnen, sagte sie: «Seit der Sache mit dem Absturz ist Erik so unnahbar. Es kommt mir so vor, als ob er an allem zweifelt und komplett unzufrieden ist!»
    Irene erhob sich nachdenklich von ihrem Stuhl und tigerte unruhig durch die Küche. Nachdem sie schließlich das Geschirrhandtuch vom Tisch genommen und aufgehängt hatte, setzte sie sich wieder.
    «Ist das nicht normal, dass man sich nach so einem Schrecken erst mal neu sortiert?», versuchte sie, Lisa zu trösten.
    «Aber ich will das nicht!», entfuhr es Lisa eine Spur zu heftig. Sie atmete tief durch und setzte dann etwas sanfter nach: «Genau das ist es ja, was mir Angst macht … Was ist, wenn Erik eigentlich ein ganz anderes Leben führen will?»
    «Das ist doch Unsinn, Liebes.»
    «Kann doch sein, dass er gemerkt hat, dass er unzufrieden ist mit seinem bisherigen Leben. Dass er das mit der Hochzeit bereut.»
    «Wenn überhaupt, solltet ihr beide bereuen, dass ihr eure Hochzeitsreise verschoben habt.»
    «Mama!», stöhnte Lisa erneut. Sie konnte es einfach nicht fassen, dass ihre Mutter ihr dieses Thema noch immer aufs Brot schmierte. «Du weißt, warum wir das gemacht haben.»
    «Wegen der Boutique. Hab ich ja verstanden. Ich meine ja nur, wenn ihr wie geplant gleich im Oktober gefahren wärt, dann …»
    «Dann hätte ich die Eröffnung verschieben oder einen Kredit aufnehmen müssen», unterbrach Lisa entschieden.
    «Schon gut. Wer weiß auch, wofür es gut ist? Ich meine, irgendeine positive Seite wird diese Sache für euer Leben sicher haben. Aber wenn du dir Sorgen machst, solltest du mit Erik darüber reden.»
    «Ach, du weißt doch, wie verbohrt er ist!»
    «Aber er ist ganz sicher nicht der Typ, der etwas macht, was er nicht auch wirklich möchte. Er liebt dich doch.» Irene streichelte ihrer Tochter sanft lächelnd übers Haar.
    Lisa musste sofort wieder an die kleinen Mädchen am Strand von Sansibar denken, deren fröhliche Gesichter vor ihrem geistigen Auge noch immer seltsam präsent waren. Zu ihrer eigenen Überraschung hörte sie sich selber plötzlich sagen: «Meinst du, ich werde auch mal so ein tolles Kind wie Emi haben?»
    Irene lachte und antwortete sofort: «Ja. Warum auch nicht?»
    Lisa zuckte mit den Schultern und schwieg.
    «Ihr wollt doch Kinder, oder?», bohrte Irene nach.
    Ein dumpfes Gefühl durchströmte Lisa, als sie zaghaft nickte.
    «Dann ist doch alles gut», erklärte Irene und hielt ihrer Tochter erneut die Pralinenschachtel vor die Nase. «Hauptsache, ihr seid euch einig. Alles andere wird sich schon fügen.»
     
    Als Lisa spät am nächsten Abend nach einem anstrengenden, aber auch sehr schönen Familientag und nach langer Parkplatzsuche wieder zu Hause ankam und die Wohnungstür aufschloss, war bereits alles dunkel. Sie schlich ins Badezimmer, putzte sich die Zähne und betrachtete sich eine ganze Zeit lang nachdenklich im Spiegel.
    Wie ähnlich sie ihrer Mutter doch sah, dachte Lisa. Früher hatte sie solche Bemerkungen immer abgetan. Aber es stimmte: Je älter sie wurde, desto mehr glich sie ihrer Mutter. Sie hatten die gleichen geschwungenen, hellrosafarbenen Lippen, die gleiche schmale Nase mit einem kleinen Huckel auf dem Nasenbein. Auch ihre Augen wiesen eine ähnliche Form auf, die Farbe hingegen hatten sie und ihr Bruder vom Vater geerbt. Lennys Ähnlichkeit mit Hans steigerte sich von Jahr zu Jahr, allein schon aufgrund des

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