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Was ich dir noch sagen will

Was ich dir noch sagen will

Titel: Was ich dir noch sagen will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofie Cramer
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düsteres, unheilverheißendes Symbol auf dem Tisch und wollte einfach nicht klingeln.
    Behutsam legte Jutta ihren Arm um Lisas Schultern. «Ach, Süße», sagte sie. «Das wird schon. Sie melden sich bestimmt bald. Heute Abend lächelst du wahrscheinlich schon wieder.»
    Lisa erschrak, weil plötzlich das Läuten der Ladentür zu hören war.
    «Ich geh schon.» Mit einem Seufzen verschwand Jutta wieder in den Verkaufsraum.
    Lisa pustete kühlende Luft in die Teetasse, nahm einen winzigen Schluck und stellte sie dann auf dem Tisch ab. Mit zitternden Fingern griff sie nach dem Handy, um sich mit einem Blick aufs Display zu vergewissern, dass ihr auch wirklich kein Anruf entgangen war. Dann nahm sie ihren Skizzenblock zur Hand und blätterte abschätzig die Entwürfe durch, als ob sie von einer untalentierten Fremden gemacht worden waren.
    Als sie auf eine Zeichnung stieß von einem niedlichen Hängekleidchen mit bunt stilisierten Schmetterlingen darauf, erinnerte sie sich für einen Augenblick an das Gefühl, das sie bei der Anfertigung gehabt hatte. Für das Muster war sie von einer hippen Tasche inspiriert worden, die sie in einer Zeitschrift entdeckt hatte. Lisa wusste noch genau, wie sie sich ausgemalt hatte, eines Tages ein kleines, blondes Mädchen mit dem Namen Helene oder Leni zu haben, das ein solch strahlendes Kleid mit Schmetterlingen trug.
    Auf einmal konnte Lisa nicht anders. Sie wurde von kalter Wut gepackt und schleuderte den Block mit einem energischen Aufschrei zu Boden. Dann ließ sie sich auf ihrem Platz vor der Nähmaschine sinken und vergrub ihr Gesicht in beiden Händen.
    «Bitte, lieber Gott», flüsterte sie leise, «bitte, bitte mach, dass alles gut wird!»
    Im Bewusstsein dessen, dass sie ohnehin nicht daran glaubte, irgendeine höhere Macht würde ihr beistehen, raffte sich Lisa schließlich wieder auf. Sie bückte sich zu den Entwürfen, von denen einige Seiten nur noch an wenigen Fetzen in der Spirale gehalten wurden. Unbesehen ließ sie den schweren Block mit einem dumpfen Aufprall in den silbernen Mülleimer fallen. Dann schnappte sie sich ihr Handy und ihre Jacke, um sich auf den Weg ins Krankenhaus zu machen.
    Jutta, die ihren Wutausbruch gehört haben musste, kam besorgt ins Atelier zurück. Doch Lisa rannte an ihr vorbei und wäre auf dem Weg zur Ladentür beinahe mit einer Kundin zusammengeprallt, die gerade die ersten Stücke der neuen Frühlingskollektion durchsah.
    «’tschuldigung», stieß Lisa hervor und drehte sich noch einmal zu ihrer Freundin um.
    Mit fragendem Blick sah Jutta sie an.
    «Ich ruf dich an», sagte Lisa knapp, dann eilte sie hinaus auf die Straße, wo sie als Erstes die noch immer recht kühle Winterluft in sich einsog.
     
    Als sie endlich auf der ihr inzwischen so vertrauten, aber doch verhassten Etage im Krankenhaus ankam, klopfte Lisas Herz bis zum Hals. Sie war völlig außer Atem, weil sie statt des Aufzugs die Treppen genommen hatte. Die Aufregung nahm ihr beinahe das Vermögen, klar und deutlich zu sprechen.
    In der offenstehenden Teeküche fragte sie eine der Schwestern, die sie noch nicht kannte, nach Prof. Weiländer.
    «Sie sind Frau Grothe, richtig?», fragte die junge Frau in einer mitfühlenden Art, die Lisa mehr als beunruhigte.
    Irgendetwas schien nicht zu stimmen, und Lisa verspürte den unmittelbaren Drang, sich übergeben zu müssen. Die Schwester begleitete sie den Flur entlang. Doch Lisa hatte Mühe, ihr zu folgen.
    Als sie sah, dass die Jalousien zu Eriks Zimmer geschlossen waren, schwindelte ihr.
    «Nehmen Sie doch Platz, bitte», bat die Schwester und deutete mit einer Geste auf die leere Stuhlreihe.
    «Was ist mit meinem Mann? Wieso sagen Sie mir nichts?!», entfuhr es Lisa nun eine Spur zu heftig. Sie war außer sich vor Sorge.
    «Nur einen Moment bitte», entgegnete die Schwester in einer freundlichen Gelassenheit, die Lisa in den Wahnsinn trieb.
    Mit besorgtem Blick beobachtete sie, wie die Schwester zaghaft an die Tür von Eriks Zimmer klopfte, schließlich hineintrat und die Tür sofort wieder hinter sich schloss. Ohne auch nur einen Blick auf Erik erhaschen zu können, blieb Lisa vollkommen allein auf dem langen Flur zurück. Sie versuchte, sich Mut zuzureden und sich auszumalen, dass Erik vielleicht bereits aus dem Koma erwacht war und sie ihm in wenigen Minuten wieder in die Augen blicken und ihn aufmunternd anlächeln konnte. Sie würde seine Hand streicheln und ihm sagen, dass alles wieder gut wird. Sie würde vor

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