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Was ich dir noch sagen will

Was ich dir noch sagen will

Titel: Was ich dir noch sagen will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofie Cramer
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immer seinen so vertrauten Körpergeruch.
    Lisa legte ihre Jacke ab, holte einen Stuhl heran und ließ sich darauf nieder. Liebevoll betrachtete sie Erik und streichelte seine Hand. Dann griff sie in ihre Handtasche, um den Zettel mit der E-Mail herauszuholen.
    Unsicher sah sie sich noch einmal um und vergewisserte sich, dass in diesem Augenblick niemand durch die Jalousie des Fensters vom Flur hereinschaute. Sie wollte nicht dabei beobachtet werden, wie sie mit einem Menschen sprach, der sie bestimmt nicht hören konnte.
    Erneut streichelte sie Erik über den Arm und flüsterte: «Hallo, mein Lieber! Ich muss dir etwas erzählen … Etwas sehr Schönes. Ich …» Lisa zögerte zunächst weiterzusprechen, weil sie sich komisch vorkam. Aber nachdem sie noch einmal tief durchgeatmet hatte, redete sie einfach drauflos und las schließlich die Nachricht von Florian Sellmann vor.
    Anschließend entschuldigte sie sich bei Erik dafür, dass sie ihn insgeheim verflucht hatte, weil er dem obdachlosen Georg gegenüber scheinbar so herzlos gewesen war. Dann berichtete sie ihm, dass er schon morgen aufwachen würde und sie es gar nicht mehr erwarten konnte, endlich wieder seine Stimme zu hören.
    Gerade als Lisa darüber nachdachte, ob es eine gute Idee wäre, sich bei dieser Gelegenheit alles von der Seele zu reden, das sich über die lange Zeit angestaut hatte, klopfte es an der Fensterscheibe. Lisa schreckte auf und drehte sich um. Sie sah, wie Knuth ihr mit einem zaghaften Lächeln zuwinkte. Irritiert erhob sie sich und ging zur Tür.
    «Hallo!», begrüßte er sie. «Die Ärzte hier sagen, bei einem Kollegen machen sie eine Ausnahme. Hast du was dagegen?» Mit einer Geste deutete er an, eintreten zu wollen.
    Lisa fühlte sich etwas überrumpelt. Sie war sich nicht sicher, ob es richtig war, dass ausgerechnet Knuth, der oft so laut und unachtsam war, hier auftauchte. Doch sie fühlte sich verpflichtet, ihn zu Erik durchzulassen, öffnete nun vollständig die Tür und trat einen Schritt zur Seite.
    Mit fachkundigem Blick begutachtete Knuth die Monitore, auf denen diverse Kurven die Werte von Blutdruck, Puls, Herzrhythmus und Atmung anzeigten. Dann studierte er die Beschriftung der Infusion, die unaufhörlich in Eriks rechten Arm tropfte.
    «Ich glaube, er ist hier wirklich gut aufgehoben», sagte er schließlich und sah Lisa mitfühlend an.
    Normalerweise hätte sein Besuch Lisa gerührt. Denn offensichtlich wollte er ihr Trost spenden. Dennoch spürte sie ganz plötzlich all ihren Groll in sich aufsteigen, den sie schon so lange Zeit in sich trug. Schließlich war Knuth nicht nur Eriks engster Freund und wichtigster Kollege, sondern vor allem auch sein heißgeliebter Trainingspartner, mit dem er viel mehr unbeschwerte Zeit verbrachte als mit ihr. Und bestimmt hatte Erik in der verdammten Nacht des Unfalls ausgerechnet zu ihm fahren wollen.
    «Hey», sagte Knuth sanft und legte ihr behutsam die Hand auf den Arm. «Alles wird wieder gut. Ganz bestimmt.»
    Lisa lachte zynisch auf und zog instinktiv ihren Arm zurück, obwohl es ihr unhöflich erschien. Knuth wusste offenbar nicht, welch riesiger Einschnitt dieser Unfall für ihr Leben bedeutete.
    Dabei ist dieser Idiot doch Arzt!, dachte Lisa.
    Und plötzlich zitterten ihre Lippen. Sie konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten. Mit vollem Druck schien sich jetzt der ganze Frust der letzten Zeit Bahn zu brechen und es ihr unmöglich zu machen, auch nur irgendeinen vernünftigen Satz zu formulieren.
    Knuth tat einen Schritt auf Lisa zu und drückte sie sanft an sich. «Ich weiß, das ist alles verdammt hart. Aber es hätte noch viel schlimmer kommen können», sagte er ruhig.
    Für einen Moment genoss es Lisa, sich klein und beschützt zu fühlen. Knuths Worte waren tröstend, sodass sie kein Gegenargument aufbringen konnte. Und sie wusste, er sprach die Wahrheit aus, obwohl es ihm selbst – allein schon aus ganz egoistischen Gründen – unendlich leidtun musste, was passiert war.
    «Morgen holen sie ihn aus dem Koma», sagte Lisa und sah Knuth nun sogar ein wenig dankbar an. «Dann ist es wenigstens nicht mehr so unheimlich hier im Zimmer.»
    Knuth schaute etwas besorgt drein und entgegnete: «Aber mach dich darauf gefasst, dass …» Er zögerte. «Nun, dass er nicht unbedingt der Alte sein wird. Zumindest nicht sofort.»
    Lisa musste einen schockierten Gesichtsausdruck gemacht haben, denn Knuth versuchte, sie mit einer beschwichtigenden Geste zu beruhigen. Er strich

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