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Was ich dir noch sagen will

Was ich dir noch sagen will

Titel: Was ich dir noch sagen will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofie Cramer
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Vaters.
    Ich möchte Sie davon in Kenntnis setzen, dass er zurzeit ohne festen Wohnsitz in Hamburg lebt und die meiste Zeit in der Osterstraße im Stadtteil Eimsbüttel, nahe der Bäckerei Schwichtenberg, verbringt. Ganz offensichtlich leidet er unter einer akuten Pneumonie; doch meine Hilfe lehnte er ab.
    Ich hoffe, Sie sehen mir meine forsche Initiative nach und fühlen sich nicht verpflichtet, Bericht zu erstatten.
     
    MfG aus Hamburg
    Dr. E. Grothe
     
    Lisa schlug die Hände vor dem Gesicht zusammen, wie sie es immer tat, wenn sie etwas nicht fassen konnte. Noch einmal las sie Eriks Worte. Und je mehr ihr bewusst wurde, was für eine wundervolle Tat er still und heimlich vollbracht hatte, desto stärker erfüllte sie eine schier unerträgliche Sehnsucht, ihm nah zu sein. Denn auf einmal schämte sie sich dafür, dass sie versucht gewesen war, ihre Heirat als Fehler zu sehen.
    Wie hatte sie nur daran zweifeln können, dass Erik wirklich ein herzensguter Mensch war?, fragte sich Lisa und starrte noch immer staunend auf den Bildschirm.

[zur Inhaltsübersicht]
27.
    Als am nächsten Morgen der Wecker klingelte, war Lisa sofort hellwach. Zwar hatte sie noch die halbe Nacht am Rechner verbracht, um die digitalen Hochzeitsbilder zu sortieren und deren Ausdrucke online per Express-Service zu ordern, doch die tolle Nachricht von Georgs Sohn beflügelte sie immer noch. Sie war voller Tatendrang. Auch für ihre Eltern und für Renate wollte sie in diesen Tagen ein Album fertigstellen.
    Wenn nichts Unvorhergesehenes dazwischenkam, würden die Ärzte Eriks Langzeitnarkose bereits morgen beenden. Und Lisa war fest entschlossen, bis dahin nicht in ein neues emotionales Loch zu fallen. Sie würde von nun an stark sein und dankbar für jeden Tag, den sie beide gemeinsam erleben durften, ganz gleich, wie sehr Erik sich in Zukunft würde einschränken müssen.
    Um die Zeit, so gut es ging, zu überbrücken, nahm sich Lisa vor, den Nachmittag im Laden zu verbringen und möglichst viele Kunden zu bedienen, was ihr hoffentlich die nötige Ablenkung verschaffen würde.
    Aber an diesem Morgen wollte sie erst einmal auf dem schnellsten Weg zu Erik, um ihm die Neuigkeiten von Georgs Sohn zu bringen. Natürlich erschien es ihr selbst ziemlich absurd, einem Komapatienten etwas mitzuteilen, aber sie fühlte sich nicht nur dazu verpflichtet. Nein, sie freute sich sogar darauf. Vielleicht konnte sie Erik ja mit ihrer Euphorie anstecken.
    Lisa schnappte sich den Ausdruck der E-Mail, schmiss die Wohnungstür hinter sich zu und rannte die Treppe hinunter. Im Erdgeschoss wäre sie beinahe über Oles Bobbycar gestolpert. Mit einem beschwingten Lächeln schob sie es schnell zur Seite und lief aus dem Haus bis zu ihrem Auto.
    Bevor sie wenig später auf die Osterstraße abbog, stoppte sie einen Moment am Straßenrand, um den Vorplatz der Bäckerei nach einem vertrauten Gesicht abzusuchen. Doch Georg Sellmann war nirgends zu entdecken, und Lisa durchströmte ein hoffnungsvolles und beinahe stolzes Gefühl, das ihr trotz des stockenden Berufsverkehrs bis zum Erreichen des Krankenhauses erhalten blieb.
    Auf dem Flur wurde sie schon von Dr.Lemper abgefangen, einem der Assistenten von Prof. Weiländer. Mit einem Lächeln teilte der junge Mann ihr mit, dass die Schwellung mittlerweile so weit zurückgegangen sei, dass sie Erik schon morgen aus dem künstlichen Koma holen würden. Obwohl Lisa bereits darüber unterrichtet worden war, erklärte er ihr freundlich und in verständlichen Worten, dass trotzdem auch jeder weitere Tag in der Bewusstlosigkeit immer noch ein Risiko bedeuten würde. Sie hätten deswegen keine Zeit zu verlieren.
    Lisa nickte dem Arzt zu und bedankte sich höflich, aber auch ein wenig in Eile, weil sie nun endlich zu Erik ins Zimmer gehen wollte.
    Sie begrüßte noch zwei Schwestern und einen Zivildienstleistenden, mit denen sie allesamt schon über Erik gesprochen hatte und zu denen sie mittlerweile ebenfalls großes Vertrauen besaß.
    Ob sie sich über ihre überraschend muntere Ausstrahlung wunderten?, fragte sich Lisa.
    Doch es war ihr ganz egal, so wie es ihr überhaupt inzwischen recht gleichgültig war, was andere Leute von ihr dachten.
    Andächtig öffnete Lisa die Tür zu Eriks Zimmer. Sie trat zu ihm ans Bett und küsste ihn wie jedes Mal zur Begrüßung, so sanft es ging, auf die Nasenspitze. Mit geschlossenen Augen schnupperte sie an seiner Haut. Doch all die sterilen Mittelchen und das Verbandszeug überlagerten noch

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