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Was ich dir noch sagen will

Was ich dir noch sagen will

Titel: Was ich dir noch sagen will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofie Cramer
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Erleichterung einen Dank Richtung Himmel sprechen und nie wieder ihre eigene Gesundheit oder die ihrer Lieben als selbstverständlich erachten. Sie würde einfach jeden Tag die Liebe und das Leben feiern und vor allem mit Erik viel achtsamer und offener umgehen.
    Plötzlich erschrak Lisa, weil ihr Handy klingelte. Es waren ihre Eltern, die eigentlich darauf bestanden hatten, den heutigen Tag mit ihr im Krankenhaus zu verbringen. Lisa atmete tapfer durch und versicherte ihnen, dass es noch nichts Neues gab und sie sich wie versprochen umgehend melden würde, sobald sie mehr erfahren hätte. Mit gepresster Stimme verabschiedete sie sich.
    Im selben Moment öffnete sich die Tür zu Eriks Zimmer. Prof. Weiländer trat hinaus und reichte Lisa zur Begrüßung die Hand.
    «Frau Grothe … Wir haben leider noch keine Neuigkeiten für Sie.»
    Lisas Hals fühlte sich mit einem Schlag unerträglich trocken an. Sie glaubte, augenblicklich ersticken zu müssen, und schluckte mehrfach schwer.
    «Der Zustand Ihres Mannes ist zwar nach wie vor stabil», führte der Arzt in seiner unnachahmlich monotonen Art weiter aus, «doch nachdem wir das Narkotikum abgesetzt haben, ist er noch immer nicht zu Bewusstsein gekommen. Wir können Ihnen daher leider noch nichts Verbindliches sagen.»
    Er blickte Lisa mit ernster Miene an, sodass sie seine Worte in ihrem Kopf nicht einfach positiv umdeuten konnte.
    «Und was bedeutet das?», fragte sie mit zitternder Stimme.
    «Wie gesagt, ich kann Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt leider keine verbindliche Auskunft geben. Wir können nur hoffen, dass er so bald wie möglich aufwacht. Mehr können wir derzeit nicht tun. Es tut mir leid.»
    Lisa senkte den Kopf und starrte mit glasigen Augen auf den hässlichen, kalten Boden. «Darf ich zu ihm?»
    Prof. Weiländer nickte und sagte mit ungewohnt sanfter Stimme: «Sicher. Die nächste Untersuchung werden wir erst am späten Nachmittag vornehmen.»
    «Danke», hauchte Lisa.
    Der Arzt öffnete ihr die Tür und gab den beiden Schwestern, die sich gerade am Bett von Erik zu schaffen machten, und einem weiteren weißgekleideten Mann, den Lisa nicht kannte, mit einem Blick zu verstehen, dass sie den Raum verlassen sollten.
    Nun stand Lisa mitten im Raum und betrachtete Erik in seinem Bett liegend. Obwohl er friedlich zu schlafen schien, überrollte sie eine gigantische Welle von Trauer, die ihr jeden Halt nahm. Sie stützte sich auf das Bett und hielt den Rahmen fest umklammert wie die Reling eines Schiffes, das gerade vergeblich gegen einen schier übermächtigen Sturm ankämpft.

[zur Inhaltsübersicht]
29.
    Ob das ein Zeichen ist?, dachte Lisa, als sie am Abend aufgewühlt einen großen Umschlag aus dem Briefkasten fischte.
    Offenbar waren heute die bestellten Fotos angekommen. Der erste und einzige Lichtblick an diesem so unerträglich düsteren Tag.
    Prof. Weiländer hatte Lisa irgendwann nach Hause geschickt mit dem Versprechen, sie und Renate umgehend zu informieren, sobald es etwas Neues gab. Und obwohl er sich bemühte, beruhigend auf sie einzuwirken, wusste Lisa inzwischen sehr genau, dass jede weitere Stunde, die Erik nicht aus dem Tiefschlaf erwachte, ein Risiko bedeutete. Als ob sie es geahnt hatte, war genau das passiert, wovor sie sich am meisten fürchtete: Erik blieb in einer fremden Welt gefangen, zu der sie keinen Zugang hatte.
    Noch während Lisa sich mit letzter Kraft durch das kalte Treppenhaus zur Wohnung hinaufschleppte, öffnete sie mit zitternden Händen den Umschlag und holte die vielen Bilder hervor. Bilder aus einer Zeit, in der alles noch so schön bunt, lebendig und einfach erschienen war.
    Auf Höhe der zweiten Etage hielt sie inne, weil sie sich zu ihrem Lieblingsbild durchgeblättert hatte. Es zeigte Erik und sie am Tag nach ihrer Hochzeit. Er hatte sich Lisa über die Schulter geworfen und blickte nun stolz in die Kamera, während sie, mit dem Kopf nach unten, protestierend lachte, sodass ihre langen Haare fast bis zum Boden reichten. Damals hatten sie mit ihren Eltern zusammen die vielen Hochzeitsgeschenke in die Wohnung gebracht. Während einer kleinen Kaffeepause hatte ihr Vater dann diesen Schnappschuss gemacht, den sie später als Danksagung an Freunde und Verwandte schickten. Dieses Foto hatte Lisa nun mehrfach vergrößern lassen – sie wollte es in einem der Bilderrahmen aufhängen beziehungsweise gleich ganz vorn in den Alben platzieren, um der Dokumentation ihrer Hochzeit keinen allzu spießigen Charakter zu

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