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Was ihm fehlen wird, wenn er tot ist: Roman (German Edition)

Was ihm fehlen wird, wenn er tot ist: Roman (German Edition)

Titel: Was ihm fehlen wird, wenn er tot ist: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Hoffmann
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nicht besonders markant waren, sicher nicht. Und was nicht markant ist, setzt sich nicht durch. Er muss lachen.
    Mein lieber Herr Bili ń ski, du kannst nicht immer alles zu deinen Gunsten interpretieren! Er hört Agota sprechen.
    Das kann nicht sein! Genau das hat Hannah gesagt: Das kann nicht sein.
    Hat Paula ihr einen anderen Mann zum Vater gemacht? Kennt sie einen anderen Vater? Sonst sagt man so etwas doch nicht.
    Das kann nicht sein!
    Als sei etwas anderes viel wahrer, als sei die Sache längst geklärt, als wisse sie Bescheid, und nun kommt so ein Idiot und behauptete etwas Unmögliches.
    Die klopfen kaum hörbar an die Türe am Tag, die Schwestern. Freundlich erklären sie, was sie tun: Ich wechsle die Infusion.
    Er hält die Augen geschlossen.
    Es ist Zeit für den Blutdruck, Herr Bili ń ski.
    Herrgott! Können Sie mich nicht einfach in Ruhe lassen?
    Vor ihm steht die runde Renate mit der Tantenbrille.
    Das geht leider nicht, sagt sie und schüttelt wie eine Kindergärtnerin den Kopf.
    Es ist nicht mehr wichtig. Sagt Bili ń ski.
    Sagen Sie das nicht! Sie hat eine schöne Stimme, der Dialekt darin macht sie weich. Er denkt das immer, wenn sie da ist, und sie ist häufig da, aber er fragt sie nicht, woher sie denn kommt, was das für ein Dialekt ist. Er hat keine Lust, sie zu fragen.
    Warum hat er die kleine Schwester von Anfang an nicht langweilig gefunden?
    Was fragst du dich so unsinniges Zeug, mein Lieber! Du weißt es doch gut genug inzwischen.
    Er schaut aus dem Fenster, während Renate ihm den Ärmel hochschiebt, die Blutdruckmanschette über den Arm zwängt, sie aufbläst, bis er das Gefühl hat, sein Arm wird zerquetscht. Er lässt sie gewähren, auch wenn er merkt, dass er eine schwere Missmutsfalte auf der Stirn trägt.
    Einhundertsechzig zu einhundertzehn. Da wollen wir aber hoch hinaus, heute. Sagt Renate. Was ist los?
    Tun Sie bloß nicht so! Will er sagen, als wüssten Sie nicht Bescheid. Aber er schweigt.
    Abschied nehmen ist schwer. Sagt sie.
    Herrgott, sind Sie von der Kirche! Er ist laut geworden, er weiß es. Aber was redete die für einen Unsinn! Nun muss er sie auch noch anschauen.
    Unsinn! Sagt er.
    Sie packt in aller Ruhe das Blutdruckgerät zusammen. Ihre Fingernägel sind kurz geschnitten und im Verhältnis zu ihren schwammigen Fingern zu klein. Rillen haben die auch keine. Er schaut weg.
    Gleich kommt das Essen, sagt sie freundlich.
    Aber die Tür macht sie mit schierer Wucht zu, die blöde Pute.
    Er braucht nichts zum Essen. Er könnte Pius anrufen. Aber sie haben doch erst gestern telefoniert. Wie viel Uhr ist es jetzt in Taipeh? Er rechnet, ein glatthaariger Hund kommt ins Bild, mit hoch aufgestelltem Schwanz.
    Er hat das Taxischild um den Hals. Er muss nichts sprechen zum Glück. Da vorne steht ein Auto, ist das ein Taxi, ein blaues? Das hat kein Schild auf dem Dach. Es muss ihn erkennen, wenn es ein Taxi ist. Wo befindet er sich denn? Dort brennt ein Licht. Er muss noch die Rotweinflasche abholen und die Nummer. Er braucht die richtige Nummer. Er kennt sich überhaupt nicht mehr aus. Der Schiffskran setzt einen Hund auf die Straße! Oder? Jetzt sieht er das Schiff, gigantisch groß ist das, wie es den Kanal entlanggleitet, acht Mal, mehr, zwölf Mal so hoch wie diese kleinen Häuser. Er muss lachen. Das schmerzt im Gesicht. Wenn der Hund den Weg kennt, dann muss er kein Taxi nehmen. Der Hund geht ihm drei Schritte voraus, er sieht seinen Schwanz, der immerzu hin- und herwackelt, als habe der Hund Seegang. Er muss wieder lachen, obwohl das weh tut im Gesicht. Aber er hat keine Zeit. Warum hat er nicht seinen Trenchcoat angezogen, er trägt ja nur dieses Krankenhaushemd. Seine Hand gleitet in sein Gesicht, er sieht das, das darf nicht geschehen. Er muss nach Hause. Warum gibt es weit und breit kein Taxi? Das ist doch gar nicht seine Stadt. Warum gibt das Schiff jetzt zwei Signaltöne ab? Es hat ihn gesehen! Leute sind auf dem Schiff, sie trinken aus Flaschen. Sie singen etwas. Da steht doch Paula!
    Nicht kratzen im Gesicht!
    Wer hat das gesagt?
    Er will den Hund rufen, er weiß den Namen von diesem Hund nicht. Was ist das für ein Ring, den der Hund um den Schwanz trägt? Das ist eine Hundemarke. Der Hund gehört zu dem Schiff, oder? Er muss wegrennen! Paula darf ihn nicht sehen. Paula darf ihn hier auf keinen Fall sehen, sonst weiß sie alles. Wenn sie den Hund geschickt hat?
    Hund! Er ruft noch einmal: Hund!
    Warum hört der Hund nicht auf seinen Namen?
    Verpiss dich!
    Wenn

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