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Was im Dunkeln liegt

Was im Dunkeln liegt

Titel: Was im Dunkeln liegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Janes
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gleichzeitig ärgerlich, denn wenn er die ganze Zeit so dagesessen hatte, hätte ich wahrscheinlich schon vor Ewigkeiten an ihm vorbeigekonnt.
    Ich huschte zum hinteren Ende der Diele, drehte so leise ich konnte am Knauf der Küchentür, während ich bereits den Finger auf die Lippen legte, um Simon zu bedeuten, still zu sein, bis ich sicher in der Küche wäre. Die Sorge war unbegründet. Simon saß nach vorne gesackt schlafend am Küchentisch, den Kopf auf den Unterarm gebettet. Sein Gesicht war von mir abgewandt, und hinter seinem Kopf konnte ich den Hals der Whiskyflasche erkennen. Schockiert stellte ich fest, dass die Zeiger der Uhr bereits auf halb zwölf vorgerückt waren. Ich hatte stundenlang oben herumgetrödelt.
    Ich machte einen weiten Bogen um den Tisch, um zu verhindern, dass Simon mit einem Aufschrei hochschreckte. Als Erstes entdeckte ich das heruntergefallene Glas, dann die offene Aspirinflasche auf dem Tisch. Simons langes Haar war ihm ins Gesicht gefallen.
    »Simon, Simon.« Ich schüttelte ihn heftig, achtete nicht mehr darauf, leise zu sein. Sein einer Arm glitt vom Tisch und schlug gegen meinen Oberschenkel, ehe er nutzlos an seiner Seite herunterfiel. Ich strich sein Haar zurück, dessen Spitzen klebrig von seinem Erbrochenen waren. Seine Augen waren geschlossen.
    »Simon  –  Simon.«
    Ich nahm den herunterhängenden Arm und versuchte, den Puls zu fühlen. Ich hatte keine Ahnung von Erster
Hilfe, aber vielleicht könnte ich seine Atemwege reinigen? Noch während ich das dachte, erkannte ich: Es war sinnlos. Die Haut an seinem Arm fühlte sich unnatürlich kalt an.
    Während ich neben ihm stand, registrierte ich alle möglichen idiotischen Details: die Whiskypfütze, die aus dem Glas geschwappt war, das Simon zweifellos unabsichtlich heruntergestoßen hatte. Die Whiskyflasche daneben war dieselbe, die Danny vor zwei Tagen geöffnet hatte: Ich erkannte sie an dem kleinen Riss im Etikett. Es waren noch ungefähr drei Fingerbreit in der Flasche, also konnte Simon nicht sehr viel getrunken haben. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht, den Deckel wieder auf die Aspirinflasche zu schrauben. Automatisch holte ich das nach und stellte dabei fest, dass die Flasche noch immer zu drei Vierteln voll war.
    Unvermittelt kam mir der Gedanke, dass ich bis vor wenigen Tagen noch nie eine Leiche gesehen hatte. Und jetzt waren es schon zwei. Simons Anblick war weder angsteinflößend noch abstoßend. Die Pyrotechnik in meinem Kopf meldete sich nicht mit ihren üblichen Explosionen. Stattdessen verspürte ich eine eigentümliche Ruhe. Das Gefühl kam in Wellen, rollte gleichmäßig über mein Bewusstsein hinweg und führte eine Unterströmung aus Wut mit sich: eine sich auftürmende Springflut, die mich mit einem gewaltigen Gefühl von Stärke und Entschlossenheit erfüllte. Es kam mir vor, als würden sich selbst die Nachtgeschöpfe meiner Präsenz bewusst und davor erzittern.
    Ruhig ging ich aus der Küche ins Wohnzimmer, wählte eine Route, die mich direkt vor das Sofa brachte, wo Danny zurückgelehnt saß, die Gitarre aufgerichtet zwischen
seinen Knien. Er schien gedöst zu haben, doch als er mein Nahen bemerkte, schenkte er mir ein träges Lächeln.
    »Katy.« Seine Stimme war verwaschen. Die andere Whiskyflasche stand zu seinen Füßen und sprach für sich. Er klopfte neben sich auf das Sofa, lud mich ein, mich zu ihm zu setzen.
    »Bist du okay, Danny?«, fragte ich. Ungeschickt versuchte er, die Gitarre wegzulegen, und ich beugte mich hinunter und half ihm, stützte sie gegen die Armlehne des Sofas.
    »Durstig.« Dümmlich grinste er mich an, weiterhin auf den leeren Platz neben ihm klopfend.
    »Warte hier«, sagte ich. »Ich hole dir was zu trinken.«
    »Hab schon einiges getrunken.« Er blinzelte und nickte in Richtung der Whiskyflasche.
    Ich hob sie vom Boden auf. »Du wirst morgen früh einen schrecklichen Kater haben; aber ich weiß ein Rezept dagegen. Warte  –  ich bin gleich wieder da.«
    Ich kehrte in die Küche zurück, wo ich die Whiskyflasche zu der anderen auf den Tisch stellte, ehe ich aus dem Schrank ein sauberes Glas holte. Ich füllte es mit Wasser, schraubte den Deckel der Aspirinflasche ab und hielt den Flaschenhals über das Glas, bis ein Dutzend oder mehr Tabletten auf den Grund gesunken waren, wo sie wie bei einem Experiment im Chemieunterricht zu sprudeln begannen. Es waren so viele, dass sie etwas Hilfe benötigten, und so zog ich einen Löffel aus der Schublade und rührte

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